So verdruckst sind nicht einmal Zuhälter
So verdruckst sind nicht einmal Zuhälter

So verdruckst sind nicht einmal Zuhälter

Sie wollten Schmerzensgeld – und bekamen stattdessen ein paar hundert Euro Statistenhonorar: Der Fall eines Münchner Ehepaars, das zufällig von der eigenen Tochter in einer RTL2-Reportage über Swinger-Clubs entdeckt wurde, weil man vergessen hatte, die Gesichter zu verpixeln, hat in der vergangenen Woche für einiges Schmunzeln gesorgt. Noch in diesem aktuellen Urteil erklingt das ferne Echo der BRD-Strafrechtsreform der 1960er und 1970er Jahre, dessen zentrale Botschaft der SPD-Abgeordnete Adolf Müller-Emmert in seiner Funktion als Vorsitzender des Sonderausschusses für die Große Strafrechtsreform im Juni 1973 auf den Punkt brachte: „Der Staat ist nicht der Vormund unserer Gesellschaft.“

Vor allem nicht, wenn es um Sex geht. Die Paragraphen, die damals ins Wanken gerieten, avancierten dank der Medien zu Chiffren einer moralischen Auseinandersetzung. Im Mai 1969 prangte „§175: Das Gesetz fällt – bleibt die Ächtung?“ auf dem Titelblatt des Spiegel; zwei Jahre später schrieb der „Stern“ mit einem Cover über den §218 Geschichte. Auch Prostitution und Pornografie wurden damals weiter entkriminalisiert (oder eben: privatisiert). Rundum erneuert, im Grunde abgeschafft, wurde in diesem Zuge auch der Kuppelei-Paragraph §180, der zu seiner Zeit ebenfalls in aller Munde war, in der Folge jedoch deutlich schneller Patina ansetzte als die §§ 175 und 218.

Im TV dagegen feierte die Kuppelei schon wenig später fröhliche Urständ. Und dieses Fest geriert sich seither immer rauschender. Herzblatt-Kandidaten, Bauern, Schwiegertöchter, Bachelor: Man kann es nennen, wie man will – Hauptsache, das Fernsehen führt Regie, wenn der passende Sexualpartner selektiert wird. Selbst „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) ist aktuell schwer damit beschäftigt, den Zuschauern Hoffnung auf sexuelle Beziehungen zwischen den Kandidaten zu machen; vermutlich diente das Duett-Singen von vorneherein nichts anderem als deren Anstiftung. Je weiter der Partnervermittlungsmarkt ins WWW abwandert, desto eifriger scheint man mithin daran festzuhalten, damit die Kuppelei sich ja nicht wieder in die individuelle Verantwortlichkeit zurückzieht, in welche die Strafrechtsreform sie einst verwiesen hatte. Damals gab es eben noch kein Privatfernsehen, das diese Strafrechtsreform schnell als sein Geschäftsmodell entdeckte: Indem der Sex zur Privatsache erklärt wurde, qualifizierte er sich erst für die öffentliche Zurschaustellung.

Darüber müsste man auch gar nicht traurig sein – wenn die Erzählmodelle und Metaphern nicht stetig banaler würden und mehr über die Regisseure solcher Sendungen als über deren Teilnehmer verrieten. Weiterlesen auf vocer.org …

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