Exzellenzinitiative. Oder: whisper it – Amazon?
Exzellenzinitiative. Oder: whisper it – Amazon?

Exzellenzinitiative. Oder: whisper it – Amazon?

Ausgerechnet in diesem Jahr, da ich meinen Ärger am Deutschen Buchpreis auf eine Weise kundgetan habe, die nicht wenige Leute idiotisch fanden, gewann Ursula Krechel die Auszeichnung, und tatsächlich ist „Landgericht“ zweifellos das literarisch intelligenteste Buch auf der sogenannten Short List. Als eine Verlegerin eines kleinen Verlags kurze Zeit später mir gegenüber den Verdacht äußerte, die Jury habe diesen Roman womöglich wegen des sowohl kommerziell als auch pädagogisch wertvollen Themas und weniger wegen seiner literarischen Qualität ausgezeichnet, war ich erst einmal sprachlos. Dass sich der Nationalsozialismus in Deutschland besonders gut verkauft, weiß jeder, der sich eine Galerie der SPIEGEL-Titelblätter oder das Bärtchen auf der aktuellen Bestsellerliste zu Gemüte führt. Der Buchpreis-Jury wollte ich eine solch zynische Argumentation jedoch niemals unterstellen.

Ob die Vermutung nun stimmt oder nicht, mag hier dahingestellt bleiben. Tatsache ist, dass der Deutsche Buchpreis zwar als kommerziell erfolgreiche Unternehmung gelten darf; die eigentliche Aufgabe eines Preises – die Auszeichnung einer herausragenden Arbeit – erfüllt er jedoch absolut nicht, obwohl er genau das von Anfang an und strikt von sich behauptet:

Mit dem Deutschen Buchpreis zeichnet die Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung jährlich zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den besten Roman in deutscher Sprache aus.

Die Gewinnerbücher seit 2005 sind keine schlechten Bücher, versteht mich nicht falsch; es sind Bücher, die ich vielleicht politisch, selten nur handwerklich kritisieren kann. Aber keines davon ragt, wenn überhaupt, literarisch allzu weit heraus aus der Masse der Neuerscheinungen des jeweiligen Jahres. Und das ist dann eben durchaus politisch zu verstehen: wenn alljährlich ein eher mittelmäßiges literarisches Werk („Landgericht“ ausgenommen) zum Buch des Jahres erklärt wird.

Ein britischer Literaturagent scheint einen ähnlichen Unmut – ob zurecht oder nicht, kann ich kaum beurteilen – verspürt zu haben: Vor knapp zwei Jahren hat der Literaturagent Andrew Kidd die Gründung eines neuen Preises für englischsprachige Literatur verkündet. Dieser Preis ist mit 40.000 Pfund Sterling nicht nur ziemlich hoch dotiert, sondern wird auch ziemlich vollmundig als wirklich allein auf Qualität bedachte Auszeichnung beschrieben. Sein Ziel ist es, „to establish a clear and uncompromising standard of excellence“. Und noch einmal: „The sole criterion will be excellence.“

Gegen wen sich die Initiative richtet, weiß jeder Brite. Kidd selbst hatte die Installierung des neuen Preises mit dem Qualitätsverlust beim Man Booker Prize (ehem. Booker Prize) und dessen Fokussierung auf die „readability“ begründet. Der Guardian-Blogger Richard Lea packt die konservativ-kulturpessimistische Haltung dieser Argumentation in seinem Artikel recht trefflich am Schopfe, wenn er das Zielpublikum des neuen Preises beschreibt:

Anyone who’s ever cried themselves to sleep over the death of contemporary culture, the depredations of modern life and the triumph of the market over Art – otherwise known as the Booker prize – can rejoice.

Auch das Pikanteste an der Sache nennt Lea beim Namen. Der neue Preis heißt bislang so schlicht wie eitel „The Literature Prize“, doch dabei soll es nicht bleiben. Heute verkündeten die Organisatoren, dass sie nun einen Sponsor für das Preisgeld gefunden hätten. Wer das ist, wird allerdings erst im Februar 2013 bekannt gegeben, gleichzeitig soll der Preis einen neuen Namen – den jenes Sponsors, vgl. den Booker Prize – erhalten. Das ist ein ziemlich geschickter PR-Schachzug, denn die britische Presse nimmt deutlich reger teil an Diskussionen über Literatur, Kommerz und Preisvergaben als die deutsche. Auch Guardian-Autor Lea möchte – er sei wohl zu sehr Kind der Thatcher-Ära oder auch „just not focused enough on ‚the very highest level of artistic achievement‘“, schreibt er – am Ende seines Artikels doch ganz gerne wissen, „which particular devil the Literature Prize has supped with. Is it global finance, environmental mongers of doom or – whisper it – Amazon?“ Man darf also wirklich gespannt sein, in wessen Namen diese Exzellenzinitiative im kommenden Frühjahr gestartet werden wird.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.