0,03 Prozent. Oder: Abschied I
0,03 Prozent. Oder: Abschied I

0,03 Prozent. Oder: Abschied I

Es sind mittlerweile viele Theorien über das Scheitern der Krautreporter ins Kraut geschossen, und im Grunde zielen alle auf diese oder jene Weise darauf, dass sich das Projekt nicht gut genug verkauft hätte. Diesen Vorwurf finde ich merkwürdig (oder sogar ein wenig gruselig in seinem blanken Kommerzialismus), da ich eigentlich immer froh bin, wenn man mir ausnahmsweise mal nichts verkaufen will, denn das ist im Journalismus ohnehin ziemlich selten geworden. Die Werbung in eigener Sache bestimmt längst nicht nur ein paar Links hier und da, sondern redaktionelle Linien und Entscheidungen: WM-Texte gehen gerade am besten? Na gut, erfinden wir also noch ein paar Placebo-Nachrichten, in denen die Wörter „Weltmeisterschaft“ und „Fußball“ vorkommen. Für den Bericht über die deutschen Rüstungsexporte interessiert sich gerade niemand? Na, dann bald weg damit. Die strukturelle Ähnlichkeit zwischen Leserbeteiligungsprojekten und Marketinginstrumenten ist nunmal kein Zufall, und die LeserInnen beteiligen sich ja auch entsprechend brav daran, indem sie sich allererst und mehrheitlich für jene Themen aussprechen, die sie persönlich betreffen (Wo liegt nochmal Nigeria?).

Die Krautreporter haben auf Namen und etwas später auch auf Inhalte gesetzt, so dass ich mich in meiner Entscheidung dafür oder dagegen durchaus ernst genommen fühlte. Die wollten kein Lob für ihre PR, sondern eine Anerkennung für den Journalismus, den sie darstellen. Meine Entscheidung, die Krautreporter nicht zu unterstützen, basiert denn auch genau darauf: Die Köpfe und die Themen von Krautreporter finde ich nicht spannend, ganz einfach. Man muss da auch keine einzelnen Namen nennen, jedoch promoten sich einige der AutorInnen besser, als sie denken und schreiben, jedenfalls nach meinem Geschmack. Und wenn man mal die Vornamen der viel zu wenigen weiblichen Krautreporter in order of appearence benennt – Theresa, Jessica, Theresia, Andrea Hanna, Anne, Victoria –, dann ahnt man, dass es in diesem Team nicht nur an Frauen und MigrantInnen mangelt, sondern zudem das Milieu recht klar begrenzt ist. Aber gut, Journalismus ist und bleibt offenbar ein bürgerliche Erfindung und wird im Zweifelsfall eben mit dem Bürgertum untergehen müssen, wenn er sich weiterhin so arg daran klammert.

Womit ich endlich bei meiner eigenen These über das Scheitern der Krautreporter wäre, die die Bezeichnung „These“ eigentlich gar nicht verdient hat, da es sich um nichts anderes als eine banale Wahrheit handelt: Es gibt schlichtweg nicht genug Menschen, die bereit sind, für Qualitätsjournalismus – denn als solchen begreifen sich die Krautreporter durchaus, auch wenn das böse Wort höchstens zwischen den Zeilen genannt wird – 60 Euro im Jahr auszugeben. Kurz gesagt: Die Leute interessiert´s nicht, es ist ihnen buchstäblich nichts wert. Vielleicht sollte man diese Ablehnung ebenfalls als Form der Leserbeteiligung begreifen, statt ein ums andere Mal die Krautreporter zu schelten, dass sie sich ihren potentiellen LeserInnen nicht erfolgreich genug aufgeschwatzt haben. Wir haben 50 Millionen Deutsche gefragt: Wer ist bereit, für guten Journalismus 60 Euro auszugeben? Das Ergebnis: nicht einmal 15.000, das sind umgerechnet 0,03 Prozent. Auch eine Erkenntnis.

Und nun doch noch eine kleine These am Ende: Dass viele Medienblogger sich geradezu verpflichtet fühlten, ihren Beitrag nur unter ausgestellten Schmerzen oder ostentativ widerwillig zu leisten, aber ihn dann natürlich doch zu leisten, beweist vielleicht am besten, wie wahr das Krautreporter-Scheitern ist. Die Unterstützung galt sichtlich mehr der Hoffnung auf eine Zukunft des Journalismus denn dem Projekt als solchem. Auch diese Hoffnung darf nun als enttäuscht gelten.

 

Nachtrag 30. Juni: Da in den Kommentaren bereits darauf hingewiesen wurde: Ich habe natürlich mitbekommen, dass die Krautreporter ihr selbstgestecktes Ziel erreicht haben, fände es aber falsch, meinen Text jetzt dahingehend abzuändern, da ich meine Annahme eines Scheiterns nicht nachträglich verbergen wollte.

3 Kommentare

  1. ford_prefect

    Ähm. Vielleicht ist mir da etwas entgangen, aber als ich das letzte Mal nachgesehen habe (und das war vor Sekunden), hatten die Krautreporter ihr Funding-Ziel erreicht und erklärten, an der ersten Ausgabe zu basteln..?

  2. katrin

    Mein Text ist vor dem Ende der Kampagne erschienen, und ich wollte ihn danach nicht mehr ändern/anpassen, weil er nunmal von einem Nichterreichen des Ziels ausgegangen ist. Mir geht es ohnehin mehr um die 0,03 Prozent und die Zusammensetzung der Redaktion als um Erfolg (der ja v.a. einer Großspende zu verdanken ist) oder Misserfolg der Kampagne. Evtl. mache ich noch einen Nachtrag, aber im Grunde wissen ja alle Bescheid, dass die Krautreporter ihr Ziel erreicht haben, oder?

  3. ford_prefect

    Verstehe. Den pessimistischen Tenor verstehe ich auch, teile ihn aber nicht (obwohl ich auch zu denen gehöre, die ihre Unterstützung nur ostentativ widerwillig geleistet haben). Klar sind die Zahlen ernüchternd, und klar galt die zähe Befürwortung vieler eher der Projektidee als solcher als deren Umsetzung. Aber ich bin gespannt darauf, was die Damen und (ich weiß: vornehmlich) Herren jetzt mit dem Geld anstellen und würde ihnen erstmal den Versuch einräumen wollen, ein überraschend gutes und wichtiges Magazin auf die Beine zu stellen – das dann auch mehr Menschen erreicht (was ja auch schon mal erstaunlich schnell gegangen sein soll). Klappt´s nicht, war´s der Versuch auf jeden Fall wert.

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