Tittenkritik. Oder: In Zukunft bitte ohne mich
Tittenkritik. Oder: In Zukunft bitte ohne mich

Tittenkritik. Oder: In Zukunft bitte ohne mich

Als der „Personaler“ (wie man das eben so nennt) mich im Vorstellungsgespräch fragte, ob ich – die genaue Frage war bestimmt dezenter formuliert, ich gebe sie hier also nur sinngemäß wieder – mich nur für die Stelle beworben hätte, weil ich einen unbefristeten Job im Visier hätte, lehnte ich selbstredend rundweg ab. Und nachher habe ich mich fürchterlich geärgert, sowohl über die Frage als auch über meine Reaktion: Zielte das etwa auf einen bestehenden Kinderwunsch? Und wäre es eigentlich verwerflich, wenn man die Vertragsbedingungen als Argument gelten ließe? Allein, meine Antwort damals war tatsächlich ehrlich. Ich wollte diesen Job, (fast) egal, zu welchen Bedingungen. Erst jetzt, fünf Wochen nach meinem ersten Arbeitstag, beginne ich langsam den Unterschied zu begreifen, den ich bislang gern geleugnet hatte.

Als ich begann, meine bisherigen AuftraggeberInnen über meine veränderte Situation zu informieren, erntete ich völlig andere Reaktionen, als ich erwartet hatte. Mir fiel die Entscheidung für eine Vollzeit-Festanstellung schwer, so begierig ich auch auf diesen Job war. Doch eben diese Bedenken teilte niemand. Die RedakteurInnen, für die ich tätig war, fielen mir im Gegenteil sprichwörtlich fast um den Hals, so sehr freuten sie sich für mich. Sinngemäß: Glückwunsch, da hast du gerade noch rechtzeitig den Absprung geschafft! Nun sind die Sinne geschärft, und wirklich höre ich seither gefühlt viel öfter Geschichten von (jetzt also ehemaligen) KollegInnen, aus der Medienbranche im weitesten Sinne, die sich zwar nicht gerade mit Putzen, aber doch mit Jobs über Wasser halten müssen, die ihrer Qualifikation in keiner Weise entsprechen. Langsam erkenne ich an, dass die RedakteurInnen recht hatten: Ich habe den Absprung gerade noch rechtzeitig geschafft. Welch bittere Erkenntnis über die Presse und das Verlagswesen diese Aussage darstellt, mag sich jeder selbst überlegen.

Meine Distanz zum Journalismus wächst mittlerweile täglich. Wo ich ihn früher noch verteidigt habe – à la „die müssen eben auch irgendwie überleben“ – gebärde ich mich heute moralaposteliger denn je. Wenn der Süddeutschen Zeitung wie vor kurzem für ihre Panorama-Seite nichts besseres einfällt, als die Bekleidung von Oscar-Gästen – natürlich vor allem von weiblichen; einzige Ausnahme ist der langhaarige Jared Leto – mit merkwürdigsten Argumenten abzukanzeln und sich dabei nicht einmal zu scheuen, in die übelste Machismo-Kiste zu greifen („Wofür die Corsage, wenn dann nichts drinsteckt?“) und statt Unfallmeldungen also Tittenkritik zu betreiben, verstehe ich auch ehrlich die Medien-Welt so gar nicht mehr. Oder eben: besser denn je, weshalb ich froher denn je bin, ihr nicht mehr anzugehören.

Was ich eigentlich sagen wollte: Ich bin nun hier, als Redakteurin ehrlich bemüht um gerechte und kluge Erwachsenenbildung. Ich mache mithin genau das, was ich immer schon machen wollte. Nur: Als Journalistin ging das irgendwie nicht.

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