An Quiznight-Abenden finden sich gefühlt alle Bewohner*innen des Dorfs im Pub ein, an jedem Tisch ein Rateteam, darunter die Dorfteenieclique, der Seniorenclub, die Nachbarsfamilie. Nach jeder Frage des Quizmasters wird an den Tischen leise getuschelt – und zwischen den Tischen liebevoll hin und her gepiesackt.
Wer also begreifen will, wie local communities funktionieren, der kann bei einem Pubquiz einiges lernen: über die Bildung von Gemeinschaft im Dialog, über spielerische Wissensvermittlung und -sicherung sowie über den Wert von Vielfalt und Diskurs im lokalen Alltag. Bei einem Pubquiz kann man by the way nicht nicht mitmachen: Freilich darf man an diesen Abenden auch ’nur‘ etwas essen im Pub und spart sich damit sogar die Teilnahmegebühr. Aber die Kirmes-Stimme des Quizmasters lässt sich nunmal nicht überhören, und so kommt man kaum umhin, auch am eigenen Tisch die eine oder andere Frage zu debattieren. „Whether you are on holiday or a local resident, everyone is welcome. Come and have a drink and test your knowledge, it’s great fun.“ heißt es auf der Webseite von The Rising Sun Inn in Portmellon, wo ich mein erstes Pubquiz erleben durfte. Und wirklich jedes Wort davon ist wahr.
Als wir in der Münchner Stadtbibliothek überlegten, wie wir die letzte Führungskräfterunde des Jahres 2021 gestalten könnten, war mithin schnell klar: Wir machen ein Pubquiz. Natürlich digital. Und das ging so:
Zuerst galt es, ein Organisationsteam für alle anfallenden Aufgaben zu bilden. Da das Pubquiz eine Überraschung sein sollte, akquirierten wir unter strenger Geheimhaltung etwa 20 Kolleg*innen aus dem „Mittelbau“. Ein Teil davon kümmerte sich um Fragen und Antworten, eine andere Gruppe schrieb den Ablaufplan für die zweistündige Webex-Sitzung. Zwei Kolleginnen übernahmen die Ko-Moderation, ein Dutzend weitere fungierten als Quizmaster*innen. Denn darin bestand die erste digitale Hürde: Wie bringen wir die Fragen gleichzeitig in die einzelnen Teilgruppen?
Die Führungskräfterunde der Münchner Stadtbibliothek besteht aus über 60 Mitarbeitenden, so dass wir mit zehn bis zwölf Teams rechneten, die sich allerdings nicht selbst formieren sollten – dafür hätte die Zeit nicht gereicht –, sondern zufällig von unserem Videokonferenztool Webex in Teilgruppensitzungen verschoben wurden. Webex bietet zwar die Möglichkeit, Nachrichten in die Teilgruppen zu senden, doch dieses Vorgehen schien uns zu unsicher: Woher wissen wir, ob die Nachricht gut ankommt, sofort bemerkt und lange genug eingeblendet wird? Was machen wir, wenn es in den Teilgruppen zu technischen Problemen kommt? Senden wir im regelmäßigen Drei-Minuten-Takt, auch wenn manche Fragen sich deutlich schneller beantworten lassen als andere?
Letztendlich entschieden wir uns, in jede Teilgruppe einen Moderator bzw. eine Moderatorin zu senden, der/die die Fragen via Präsentation einblendet, auf die Zeit achtet und darüber hinaus die Antworten der Gruppe sowie die zugehörigen Punkte notiert. Nach jeder Runde traf sich das gesamte Plenum im Hauptraum wieder, wir fragten bei den Moderator*innen die Punkte der einzelnen Teams ab und verkündeten das aktuelle Ranking. Und ab in die nächste Runde …
Auch die Namen der Teams, die im Original-Pubquiz naturgemäß von diesen selbst gewählt werden, haben wir aus Zeitgründen vorab bestimmt. Die Idee, unsere Teams nach Plätzchensorten zu benennen, entstand in vorweihnachtlicher Laune, erwies sich aber als herrliche Entscheidung – weil´s einfach zu charmant zu sehen und zu hören war, wie die Team-Moderator*innen zu Hochform aufliefen, als es galt, die Leistungen ihrer Teams zu präsentieren. Gewonnen haben am Ende übrigens die Zimtsterne.
Da wir keinen langen Abend zur Verfügung hatten, sondern zwei Stunden, planten wir drei Runden à 20 Minuten und à sechs Fragen. Aufgrund eines technischen Problems zu Beginn gab es ein paar Minuten Verzögerung, und just jene paar Minuten haben wir am Ende überzogen. Will sagen: Die Planung ging auf. Drei Minuten pro Frage ist in einem digitalen Pubquiz ein guter Richtwert, auch weil dem Team – wie beim Original – am Ende jeder Runde ein wenig Zeit bleibt, um noch einmal über die Fragen zu schauen, die man nicht oder womöglich nicht richtig beantworten konnte. Zeitlich knapp wurde es bei uns jedenfalls in keiner Gruppe.
Die drei Runden trugen die Überschriften „I like to move it“, „How much is the fish?“ und „Bird on a Wire“, in der ersten ging es um Bewegung, in der zweiten um harte Fakten, in der dritten um Technik und Digitales. Jede Runde war ähnlich aufgebaut. Es begann stets mit Allgemeinwissen – neue Sportarten bei den Olympischen Spielen, Jugendwort des Jahres, Amtseinführung Joe Biden – und endete bei Spezialwissen über die Münchner Stadtbibliothek: Wie viele Kolleg*innen sind 2021 neu dazu gekommen, wie viele haben uns verlassen (27/41)? Wie viele Vor-Ort-Besuche verzeichnete die Münchner Stadtbibliothek im dritten Quartal 2021 (571.020)? Wie viele Wahlhelfer*innen stellte die Münchner Stadtbibliothek bei der Bundestagswahl (ca. 50)? Wie viele Klicks verzeichnete die Intranetseite der Münchner Stadtbibliothek in der Woche vom 22. bis 28. November 2021 (6.727)? Bei manchen Fragen boten wir Multiple-Choice-Antworten an, bei anderen musste das Team die Antwort allein finden.
Handys und Internet waren – wie beim Original-Pubquiz – freilich verboten, hätten aber beim Spezialwissen vermutlich ohnehin wenig geholfen. Und genau dieses Wissen war uns auch das wichtigere. Denn mit dem Pubquiz wollten wir nicht nur den Führungskräften einen entspannten und hoffentlich unterhaltsamen Vormittag bescheren (was zweifellos im Vordergrund stand), sondern zudem auf wieder einmal andere Weise das Gespräch und die Reflexion über die Münchner Stadtbibliothek und deren Erfahrungen im Jahr 2021 in Gang bringen. Das scheint beides geglückt zu sein, und daher gehen am Ende noch a few special thanks to The Rising Sun Inn, Portmellon, and The Three Crowns, Brinkworth/Chippenham.
]]>Von unserer Diversity-Beraterin Handan Kaymak haben wir in der Münchner Stadtbibliothek gelernt: erstmal das Gegenüber reden lassen und zuhören. Ihr Konzept von Zweiergruppen, in denen jede/r fünf Minuten spricht, ohne dass das Gegenüber sich irgendwie dazu äußert, lässt sich wunderbar als Speeddating umsetzen: Man lade alle Kolleg*innen, die Lust auf einen informellen Austausch habe, zu einer Videokonferenz und verteile sie auf Teilgruppen (aka Breakout-Sessions) à zwei Personen. Die Aufgabe: Eine/r spricht fünf Minuten zu einem Thema, ohne unterbrochen zu werden, und anschließend ist der/die Andere dran. Das Schöne an diesem Format: Es ist ganz vielfältig einsetzbar. Man kann den Dialogen eine Frage mitgeben – Woran arbeitest du gerade? Was beschäftigt dich gerade am meisten? u.ä. – oder neue Kolleg*innen vorstellen oder auch gar kein Thema vorgeben.
Auch diese Idee stammt von Handan Kaymak, wenn ich mich recht erinnere: Damit alle Teilnehmenden einer Runde sich zu einer Frage äußern, gibt der/die Redende das Wort selbständig an den/die Nächste/n ab. Ich kann mir das auch jenseits von Live-Terminen vorstellen. Zum Beispiel als Newsletter-Format: In jedem Newsletter wird ein/e Mitarbeitende/r des Unternehmens vorgestellt – anhand einer Frage oder eines Fragenkatalogs, des Grundschulzeugnisses, eines Kinderfotos etc. -, und der/die Befragte entscheidet am Ende, wer als Nächste/r dran ist, vorgestellt zu werden. Möglich wäre sogar, dass jede/r noch eine eigene Frage an die/den nächste/n Befragte/n formulieren darf oder erklären muss, warum er/sie gerade diese/n Mitarbeitende/n ausgesucht hat. À la: von XY wollte ich schon immer mal wissen, wie …
Mit einem digitalen Pubquiz – ein How-To folgt hier im Blog demnächst – haben wir in der Münchner Stadtbibliothek den Jahresabschluss 2021 mit unseren Führungskräften begangen. Das Entscheidende dabei war, nicht nur die Teams zufällig zusammenzuwürfeln, sondern auch, dass wir eine Reihe von Fragen zur Münchner Stadtbibliothek gestellt haben, etwa zur Zahl der Neuzugänge 2021 oder zur Länge der verlegten Kabel in einem Neubau. Da diese Zahlen kaum jemand im Kopf hat, mussten die Antworten also geraten werden – und so kamen die Führungskräfte ganz entspannt und spielerisch in die Diskussion über die Erfahrungen der Münchner Stadtbibliothek im vergangenen Jahr.
Ein Klassiker, der selbstredend auch digital funktioniert und sich natürlich zudem auf die wichtigen Themen des Unternehmens oder der Institution konzentrieren kann – sei es, dass man Neuerscheiungen oder auch Klassiker über Diversität oder Partizipation liest und bespricht; sei es, dass man sich Büchern über Leadership und Unternehmenskultur widmet. Auch Lesekreise zu aktueller Belletristik sind freilich möglich, und vermutlich wird man in diesem Fall von der Vielfalt der Teilnehmenden am meisten überrascht sein.
Der Verlust des Flurfunks ist zweifellos einer der schmerzlichsten, den Covid-19 zu verantworten hat. Aber was spricht eigentlich dagegen, eine digitale Kaffeeküche einzurichten? Mit Webex – dem Konferenztool der Münchner Stadtverwaltung und damit auch der Münchner Stadtbibliothek – geht das ganz unaufwändig, da alle Mitarbeitenden dort über einen eigenen Raum verfügen, den alle Kolleg*innen jederzeit betreten können. Man könnte also einfach allen Bescheid geben, sie mögen zum Kaffee vorbeikommen, wann auch immer das ist – und entweder, es ist dann jemand da oder nicht, eben ganz wie im realen Leben. Auch andere Tools wie wonder.me, spatial.io, HyHyve und ähnliches eignen sich dafür vermutlich gut.
Nun ist es an euch, das eine oder andere auszuprobieren. Oder habt ihr das womöglich bereits und wollt eure Erfahrungen teilen? Gibt es weitere Ideen, die in diese Liste gehörten? Dann verratet sie uns in den Kommentaren!
]]>Konzepte entstehen bei mir im Bottom-Up-Top-Down-Prinzip: Gucken, was da ist, darin Strukturen erkennen und diese Struktur wieder nach unten durchdeklinieren, um zu begreifen, wo noch was fehlt.
Was da ist für einen möglichen Neustart dieses Blogs: eine ziemlich breit gefächerte Erfahrung in Sachen Kommunikation. Ich habe als Medienkritikerin gearbeitet (auch das fehlt mir ein wenig), war fünf Jahre lang für die digitale Kommunikation der Münchner Stadtbibliothek und bin heute als Referentin der Direktion eben jener Bibliothek u.a. für die interne Kommunikation verantwortlich. Und von alldem soll dieses Blog also in Zukunft handeln: von der wahrlich symbolträchtigen Werbemethode, Tageszeitungstitelseiten mit einer Werbepostkarte zu bekleben (i hate it, aber sowas von!); von Twitter-Threads und anderen neuen digitalen Gattungen; von guten und schlechten Ideen und meinen Erfahrungen in der internen Kommunikation, von analogen und digitalen Kommunikationsmethoden.
Die erste neue Kategorie heißt also „Aus der Werkstatt“. Dort berichte ich über Formate der internen Kommunikation, mit denen ich arbeite oder gearbeitet habe. Dort geht es zum Beispiel um halb5, ein offener digitaler Austausch jeden Montag um 16.30 Uhr, das ich für die Münchner Stadtbibliothek erfunden habe. Oder um ein digitales Pubquiz, das wir 2021 erstmals in der Münchner Stadtbibliothek veranstaltet haben. Oder um unser Social Intranet WiLMA (Intranet aller Mitarbeitenden der Landeshauptstadt München), an dem ich viel zu basteln hatte und weiterhin auch habe. Oder um Workshops, die ich veranstalte.
Die zweite neue Kategorie ist ein wenig serviceorientierter. Ich werde sie „Fünf Ideen für“ nennen, bin aber unsicher, ob sich das durchhalten lässt. Vielleicht werde ich sie irgendwann in „Drei Ideen für“ umtaufen müssen. Oder sie wird sang- und klanglos verschwinden, mal sehen. Jedenfalls sollen unter diese Kategorie kurze, schnelle Tipps fallen, „Listicles“ sagt man auch dazu, wobei es mir nicht um Clickbait geht, sondern darum, Denkansätze in übersichtlicher Form vorzustellen.
Auch bei der dritten Kategorie weiß ich nicht wirklich, ob sie tragen wird. Sie ist mir aber wichtig und mit deren Einrichtung will ich mich quasi anspornen, sie auch zu füllen. Sie heißt „Neue Gattungen“ und soll davon handeln: von Twitter-Threads, Telegram-Gruppen-Chats, Insta-Storys und LinkedIn-Geschichten.
Für meine Medienkritik wiederum gibt es bereits eine Kategorie hier im Blog, nämlich „Medien“. Ehrlicherweise hätte ich diese längst in „Rants“ umbenennen müssen, denn leider schreibe ich meist nur über Medien, wenn ich mich mal wieder darüber aufgeregt habe. Zu meiner Verteidigung: dass mich Medien-Fails so über die Maßen reizen, liegt selbstverständlich nur daran, dass ich die Medien liebe (und die Sprache als das grundlegendste Medium am meisten).
Drückt mir die Daumen, dass das alles so klappt. Mich würde es so sehr freuen, endlich wieder ordentlich zu bloggen.
]]>Normalerweise mischt sich ein Moderator nicht ein. Tat er dann aber doch. Normalerweise wäre das Wort „Krise“ wohl nicht aufgetaucht in der Vision 2025 der Münchner Stadtbibliothek. Tat es dann aber doch – denn was war schon normal in diesen Tagen? Der Visionsentwicklungsprozess der Münchner Stadtbibliothek war es nach bis dahin üblichem Verständnis jedenfalls nicht. Er fand nicht wie geplant in Besprechungsräumen der Bibliothek oder von Hotels statt, sondern auf der Videoplattform Webex. Nicht auf Flipcharts, Pinnwänden und Post-Its, sondern auf Miro und Mentimeter. Kaum zufällig steht also im Zentrum der Vision 2025 der Münchner Stadtbibliothek – als vierter von insgesamt sieben Abschnitten – die Formulierung: „Wir sind eine lernende Institution. Krisen und Kontroversen begreifen wir als Chance, uns zu entwickeln.“ So ausdrücklich und einmischend es ihm möglich war, hat unser Berater uns von dieser Aufnahme des Worts „Krise“ in die Vision abgeraten. Wir blieben und bleiben dabei.
Für jede Branche und jede Institution hielt COVID19 je eigene Herausforderungen parat. Die Münchner Stadtbibliothek ist, darin gleicht sie vielen Bildungsinstitutionen und vielleicht auch manchen Dienstleistungsunternehmen, in Folge der Pandemie buchstäblich implodiert. Die Programmarbeit wanderte in den digitalen Raum, die Mitarbeitenden ins Homeoffice, die Häuser wurden geschlossen, geöffnet, geschlossen, zu Abholstationen. Mit beinahe jeder neuen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung mussten die organisatorischen Einzelteile neu zusammengesetzt werden – bevor sie ein weiteres Mal auseinanderfielen. Das gilt auch und gerade für die interne Kommunikation, die in einem dezentralen System wie der Münchner Stadtbibliothek bis dato vor allem in Jourfixes einzelner Teams und größeren Runden mit den Führungskräften stattfand. Die Verlegung all dieser Besprechungen in den digitalen Raum verlief weitgehend problemlos und hatte einige Verschiebungen zur Folge. Zugleich fand mit regelmäßigen Updates zur Lage und einem Newsletter für alle Mitarbeitende eine Zentralisierung der Kommunikation statt, um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden.
Dass dem Wissensmanagement eine wichtige Rolle zukommt, auch und gerade in Krisenzeiten, weiß vielleicht niemand besser als Mitarbeitende einer Öffentlichen Bibliothek. Jede Mail, die eine wichtige Frage beantworten kann, jedes aufklärende Gespräch mit dem Arbeitsschutz-Team, jede Information, die an der richtigen Stelle anlangt, stärkt die Resilienz jedes und jeder Einzelnen und damit auch die Resilienz der Institution im Ganzen. Um es kurz zu machen: Bildung hilft – daran glaubt die Bibliothek per definitionem, und das hat die Münchner Stadtbibliothek in den vergangenen Monaten auch immer wieder am eigenen Leib erfahren dürfen. Etwas nicht zu wissen oder nicht zu verstehen, verunsichert und erzeugt Angst. Das stört, um es nüchtern zu sagen, den reibungslosen Ablauf der Prozesse. Die Temperatur steigt. Und der Ärger auf allen Seiten auch.
Dies ab- und aufzufangen mag online in vielerlei Hinsicht schwieriger sein als in Präsenz vor Ort. Zugleich haben wir zu viele der Vorteile des digitalen Austauschs kennen gelernt, als dass wir sie in Zukunft missen möchten. Klingt nach einer Nebensache, kann aber wirklich nerven: Nicht jede und jeder Mitarbeitende kann in den Häusern der Münchner Stadtbibliothek alle Türen öffnen, da wir mit codierten Schlüsselchips arbeiten. Bei Meetings jenseits der Öffnungszeiten der Bibliotheken wird das immer wieder zum Problem: Wie komme ich nun eigentlich ins Haus, wenn alle schon im Besprechungsraum im ersten Stock sitzen und niemand mehr die Klingel hört? Ein Link auf eine Videokonferenz dagegen, bietet diese Hürden nicht (sondern andere, schon klar). Überhaupt, dieses herrliche Nicht-Gebundensein an einen Ort! An größeren Runden teilzunehmen, die in der zentralen Stadtbibliothek Am Gasteig stattfinden, kostete manche unserer Bibliotheksleitungen fast zwei Stunden Fahrtweg. Die Teilnahme an einer Videokonferenz dagegen: ein Klick, von wo aus auch immer. Ein echter Segen also für eine derart dezentrale Institution wie die Münchner Stadtbibliothek. Und schließlich: auch unsere Räumlichkeiten sind begrenzt; erst die umfassende Einführung von Videokonferenzen hat es uns ermöglicht, über 70 Führungskräfte gleichzeitig zu versammeln, um mit ihnen Öffnungsszenarien und Strategieentscheidungen zu besprechen.
Mit all diesen Erfahrungen im Rücken formierte sich spontan ein bunt gemischtes Team, um über weitere Möglichkeiten und andere Zugänge für das Informations- und Wissensmanagement nachzudenken. Grundlage bildete die Erkenntnis, dass unglaublich viel informelles Wissen in der Münchner Stadtbibliothek vorhanden ist, das jedoch – der Begriff „informell“ sagt es ja bereits – kaum auf den üblichen Wegen vermittelt werden kann. Aus losen Ideen, Gehörtem und eigenen Erfahrungen formte die kleine AG ein vielfältiges Konzept aus mehreren Bausteinen, die individuelle Zugänge ermöglichen. #besserwissen – so der Name des Programms – besteht aus Online-Selbstlernkursen zu Themen wie Digitalisierung oder Diversität, klassischen Fortbildungen, einem Mentoring für Führungskräfte und dem Halbstunden-Format halb5, das auf der Videoplattform Webex stattfindet. Auch in der internen Kommunikation hat man schließlich längst begriffen, dass Nutzer*innen-Orientierung durchweg Sinn macht. Denn was nützt die beste Botschaft, wenn sie nicht ankommt?
Der Name „halb5“ gründet ebenfalls in unseren ‚Learnings‘, denn er nennt die Uhrzeit der Veranstaltung und damit also die wichtigste Gemeinsamkeit eines Online-Live-Meetings, das an und von jedem Ort mit Internetverbindung aus besucht werden kann. Die Themen sind bunt gemischt, sie reichen von Social Media bis Buchbinden, vom Beschwerdemanagement bis zum Escape-the-Room-Konzept; monologische Inputs sind höchstens als Eisbrecher gedacht, um bald ins offene Gespräch zu gehen, damit die Mitarbeitenden ausreichend zu Wort kommen – schließlich soll halb5 für sie da sein, nicht umgekehrt. Zugleich handelt es sich um einen Testballon: Nach der ersten Staffel wird evaluiert und weiterentwickelt.
Selbstredend dienten Formate wie „learn&lunch“ oder so genannte „Coffee Lectures“ als Vorbild, jedoch wollte halb5 genau nicht Pausenzeit in Arbeitszeit umwandeln, da diese Entwicklung aktuell ohnehin sehr kritisch zu beobachten ist. Vielmehr war unser Ziel, den Feierabend mit einem lockeren, niedrigschwelligen und vor allem fruchtbaren Austausch einzuläuten. Und während nach einer Coffeelecture oder einem Learninglunch alle meist schnell weiter klicken müssen zum nächsten Termin, bedeutet 17 Uhr für viele das Arbeitsende, so dass man gut und gern noch ein bisschen bleibt und den Tag entspannt plaudernd ausplätschern lässt. Ganz wie früher eben. Aber von heute.
]]>Michael Krüger, Hans Magnus Enzensberger und Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Borchmeyer sprechen sich also entschieden für Siegfried Mauser und gegen die Rechtmäßigkeit des Urteils aus – obwohl sie, das unterstelle ich hier mal, dem Prozess nicht beigewohnt haben und die Aussagen der Nebenklägerinnen also höchstens aus der Zeitung kennen.
Über das „Frauenproblem“ der Bayerischen Akademie der Schönen Künste – dessen Präsident Borchmeyer einmal war und Krüger aktuell ist – habe ich mich bereits an anderer Stelle geäußert, daher hier nur kurz zusammengefasst (und ohne manche kolportierten Äußerungen der beiden Herren über die Weiblichkeit weiterzuplappern): Sowohl Programm als auch die Zusammensetzung der Mitglieder der Akademie lässt darauf schließen, dass Frauen vielleicht Objekt der Schönen Künste sein können, aber lieber nicht deren Subjekt. Dass Borchmeyer dementsprechend die patriarchalen Machtstrukturen in universitären Einrichtungen abstreitet und damit gleich im selben Atemzug die Aussage der Frau in Zweifel zieht, überrascht mich deshalb wenig.
Doch dass eine Professorin sich erst fast sieben Jahre nach der angeblichen sexuellen Nötigung zur Anzeige entschließt, um sich als ,Untergebene‘ des Rektors keine beruflichen Nachteile einzuhandeln – also erst auf sein Ausscheiden aus dem Amt warten musste -, leuchtet mir ganz und gar nicht ein.
Nun kenne ich weder den Angeklagten noch die beiden Nebenklägerinnen, deshalb kann ich nicht einschätzen, ob sich da tatsächlich jemand gegen Mauser verschworen hat. Natürlich kann es sein, dass jemand Rache üben wollte. Hans Magnus Enzensberger allerdings hegt da keinerlei Zweifel, schließlich weiß er bestens Bescheid über das typisch weibliche Verhalten:
Damen, deren Avancen zurückgewiesen werden, gleichen tückischen Tellerminen. Ihre Rachsucht sollte man nie unterschätzen. Sie wissen sich der überforderten Justiz virtuos zu bedienen.
Wie schrieb der Focus noch so schön? Genau:
Jeder zweite Frauenmord wird vom Partner verübt.
Welch hübsche Metapher Enzensberger dafür wohl fände? Und wie entsetzt ist eigentlich Münchens Frauenwelt? Ach, stimmt, darum geht es hier ja gar nicht.
]]>Als ich begann, meine bisherigen AuftraggeberInnen über meine veränderte Situation zu informieren, erntete ich völlig andere Reaktionen, als ich erwartet hatte. Mir fiel die Entscheidung für eine Vollzeit-Festanstellung schwer, so begierig ich auch auf diesen Job war. Doch eben diese Bedenken teilte niemand. Die RedakteurInnen, für die ich tätig war, fielen mir im Gegenteil sprichwörtlich fast um den Hals, so sehr freuten sie sich für mich. Sinngemäß: Glückwunsch, da hast du gerade noch rechtzeitig den Absprung geschafft! Nun sind die Sinne geschärft, und wirklich höre ich seither gefühlt viel öfter Geschichten von (jetzt also ehemaligen) KollegInnen, aus der Medienbranche im weitesten Sinne, die sich zwar nicht gerade mit Putzen, aber doch mit Jobs über Wasser halten müssen, die ihrer Qualifikation in keiner Weise entsprechen. Langsam erkenne ich an, dass die RedakteurInnen recht hatten: Ich habe den Absprung gerade noch rechtzeitig geschafft. Welch bittere Erkenntnis über die Presse und das Verlagswesen diese Aussage darstellt, mag sich jeder selbst überlegen.
Meine Distanz zum Journalismus wächst mittlerweile täglich. Wo ich ihn früher noch verteidigt habe – à la „die müssen eben auch irgendwie überleben“ – gebärde ich mich heute moralaposteliger denn je. Wenn der Süddeutschen Zeitung wie vor kurzem für ihre Panorama-Seite nichts besseres einfällt, als die Bekleidung von Oscar-Gästen – natürlich vor allem von weiblichen; einzige Ausnahme ist der langhaarige Jared Leto – mit merkwürdigsten Argumenten abzukanzeln und sich dabei nicht einmal zu scheuen, in die übelste Machismo-Kiste zu greifen („Wofür die Corsage, wenn dann nichts drinsteckt?“) und statt Unfallmeldungen also Tittenkritik zu betreiben, verstehe ich auch ehrlich die Medien-Welt so gar nicht mehr. Oder eben: besser denn je, weshalb ich froher denn je bin, ihr nicht mehr anzugehören.
Was ich eigentlich sagen wollte: Ich bin nun hier, als Redakteurin ehrlich bemüht um gerechte und kluge Erwachsenenbildung. Ich mache mithin genau das, was ich immer schon machen wollte. Nur: Als Journalistin ging das irgendwie nicht.
]]>Eine Reaktion auf den zweifellos nahenden Tod der Tageszeitung präsentierte die Süddeutsche Zeitung an jenem 18. Oktober: die neue SZ am Wochenende, die ahnen lässt, wie sich die Süddeutsche Zeitung ihre Zukunft als Wochenzeitung vorstellt. Ein paar Bücher sind hinzugekommen, darunter selbstredend jener unvermeidliche „Stil“, der (genau wie fast alle Magazine von Tageszeitungen) keine andere Funktion hat, als den Werbekunden zu beweisen, dass Konsumprodukte auch redaktionell aufbereitet hübsch aussehen können. Am stolzesten ist man im SZ-Hochhaus aber vermutlich auf das, was bei der ZEIT Dossier heißt und bei der SZ also anders heißen muss und also „Buch Zwei“ heißt. Ich mag den Namen, aber das liegt offensichtlich nur daran, dass ich den Branchensprech verstehe; Freunde und Freundinnen von mir, die von der Presse keine Ahnung haben, fanden diesen Namen einfach nur doof. Ich dagegen war allererst entsetzt von dessen Aufmachung und Inhalt.
Da die SZ hier etwas Neues macht und folglich bestimmt ein wenig auf den Putz hauen wollte, darf man annehmen, dass sie sich für ihr erstes Buch Zwei einen Text ausgesucht hat, der sofort und rundherum klar macht, warum es das Buch Zwei braucht und was daran so exzeptionell ist. Die Länge allein kann und darf schließlich kein Argument sein (ist es in unseren durchformatierten Zeiten natürlich doch, ich weiß schon). Gut, um es nicht zu spannend zu machen: Das Buch Zwei handelte am 18. Oktober, bei seinem ersten Auftritt, von der Terrorgefahr in Deutschland. Schon im Untertitel wurde der Grundton angestimmt, der auch den Artikel durchzog (und eventuell den eher dünnen Informationsgehalt übertünchen sollte): Die neue Generation von Islamisten sei „so gefährlich wie nie zuvor“, heißt es da, und auch im Text wird ordentlich angstmachend geraunt. Die Hälfte jeder Seite ist mit – freilich ein Problem, das dem Thema geschuldet ist – nichtssagenden Bildern, vornehmlich von Überwachungskameras, illustriert, die gleich der Flipchart eines polizeilichen Ermittlers mit Pins und Fäden mit verschiedenen Orten auf einer Deutschlandkarte verbunden sind. Die Botschaft ist klar: Das Netz der islamistischen Bedrohung spannt sich über unser aller Vaterland!
Die Fragen, die ich angesichts des Aufstiegs des IS habe – Wie kann es sein, dass diese Ideologie so viele junge Menschen fasziniert? Warum sind Demokratie und Humanismus keine Ziele mehr? Und so weiter … – hat das Buch Zwei nicht beantwortet, und ich hatte nicht einmal den Eindruck, dass es sie überhaupt stellen wollte.
Zum Glück brachte der Postbote wenig später die Wochenendausgabe der Zürcher Zeitung, und zum Glück handelte der Aufmacher – nicht im Feuilleton oder im zweiten Buch, sondern auf der ersten Seite – von der Attraktivität des Islamismus für die Generation der 15- bis 25-Jährigen und formulierte auf seiner Suche nach Antworten kluge Gedanken, die sich arg verkürzt in den Begriff der „transzendentalen Obdachlosigkeit“ fassen lassen. Es mag an mir liegen, aber: Das sind Artikel, die mich zum Nachdenken anregen. Während das Buch Zwei der SZ mich nur ärgerlich, verängstigt und uninformiert zurückgelassen hat. Es bedrückt mich ehrlich, aber für diese Art des „Journalismus“ sehe ich ganz sicher keine Zukunft. Denn wer die Leser für dumm verkauft, der muss sich nicht wundern, wenn die bald das Interesse am Lesen verlieren.
]]>Die Krautreporter haben auf Namen und etwas später auch auf Inhalte gesetzt, so dass ich mich in meiner Entscheidung dafür oder dagegen durchaus ernst genommen fühlte. Die wollten kein Lob für ihre PR, sondern eine Anerkennung für den Journalismus, den sie darstellen. Meine Entscheidung, die Krautreporter nicht zu unterstützen, basiert denn auch genau darauf: Die Köpfe und die Themen von Krautreporter finde ich nicht spannend, ganz einfach. Man muss da auch keine einzelnen Namen nennen, jedoch promoten sich einige der AutorInnen besser, als sie denken und schreiben, jedenfalls nach meinem Geschmack. Und wenn man mal die Vornamen der viel zu wenigen weiblichen Krautreporter in order of appearence benennt – Theresa, Jessica, Theresia, Andrea Hanna, Anne, Victoria –, dann ahnt man, dass es in diesem Team nicht nur an Frauen und MigrantInnen mangelt, sondern zudem das Milieu recht klar begrenzt ist. Aber gut, Journalismus ist und bleibt offenbar ein bürgerliche Erfindung und wird im Zweifelsfall eben mit dem Bürgertum untergehen müssen, wenn er sich weiterhin so arg daran klammert.
Womit ich endlich bei meiner eigenen These über das Scheitern der Krautreporter wäre, die die Bezeichnung „These“ eigentlich gar nicht verdient hat, da es sich um nichts anderes als eine banale Wahrheit handelt: Es gibt schlichtweg nicht genug Menschen, die bereit sind, für Qualitätsjournalismus – denn als solchen begreifen sich die Krautreporter durchaus, auch wenn das böse Wort höchstens zwischen den Zeilen genannt wird – 60 Euro im Jahr auszugeben. Kurz gesagt: Die Leute interessiert´s nicht, es ist ihnen buchstäblich nichts wert. Vielleicht sollte man diese Ablehnung ebenfalls als Form der Leserbeteiligung begreifen, statt ein ums andere Mal die Krautreporter zu schelten, dass sie sich ihren potentiellen LeserInnen nicht erfolgreich genug aufgeschwatzt haben. Wir haben 50 Millionen Deutsche gefragt: Wer ist bereit, für guten Journalismus 60 Euro auszugeben? Das Ergebnis: nicht einmal 15.000, das sind umgerechnet 0,03 Prozent. Auch eine Erkenntnis.
Und nun doch noch eine kleine These am Ende: Dass viele Medienblogger sich geradezu verpflichtet fühlten, ihren Beitrag nur unter ausgestellten Schmerzen oder ostentativ widerwillig zu leisten, aber ihn dann natürlich doch zu leisten, beweist vielleicht am besten, wie wahr das Krautreporter-Scheitern ist. Die Unterstützung galt sichtlich mehr der Hoffnung auf eine Zukunft des Journalismus denn dem Projekt als solchem. Auch diese Hoffnung darf nun als enttäuscht gelten.
Nachtrag 30. Juni: Da in den Kommentaren bereits darauf hingewiesen wurde: Ich habe natürlich mitbekommen, dass die Krautreporter ihr selbstgestecktes Ziel erreicht haben, fände es aber falsch, meinen Text jetzt dahingehend abzuändern, da ich meine Annahme eines Scheiterns nicht nachträglich verbergen wollte.
]]>Man kann sich ungefähr denken, wann das geschah: als die britischen Kolonialisten mit jeder Menge evangelikaler Missionare im Gepäck in das Gebiet des heutigen Nigeria kamen, nach und nach Richtung Norden vordrangen, dort mächtige Kalifate unterwarfen und 1914 schließlich drei „Protektorate“ zu einem Land namens Nigeria vereinigten. Zwar hat der Westen nicht nur die muslimische Bevölkerung (die Hausa und die Fulani) betrogen, doch waren und blieben sie die einzigen, die sich nicht – wie etwa die Igbo im Südosten oder die Yoruba im Südwesten – christianisieren lassen wollten und also stets die – nicht zahlenmäßig, sondern bürokratisch – Unterlegenen waren und blieben, während das Land die wichtigen Schritte in Richtung Unabhängigkeit unternahm. Die Aussage, dass westliche Bildung im Hausa-Islam verboten ist, stellt folglich kaum mehr als eine Tautologie dar, denn „westliche Bildung“ kann im Falle Nigeria umstandslos mit dem Christentum gleichgesetzt werden. Und was das Christentum da angerichtet hat, verursacht bis heute immer wieder Bürgerkriege; der brutalste davon der Biafra-Krieg von 1967 bis 1970, dessen Urszene den aktuellen Ereignissen verdammt ähnlich sieht. Auch damals begann alles mit Pogromen gegen Andersgläubige im Norden.
Ich halte den Roman „Half of the Yellow Sun“ (der Titel bezieht sich auf die Flagge Biafras) von Chimamanda Ngozi Adichie nicht in allen Teilen für gelungen (aber das sagt sich eben so widerwärtig leicht aus einer deutschen Perspektive). Und doch wirft schon der Trailer der Verfilmung ein paar Blitzlichter auf ein Land, in dem westliche Bildung nicht verboten ist, sondern vielmehr die einzige Möglichkeit des gesellschaftlichen Aufstiegs darstellt.
]]>Als Frau in einer Waschmaschinen-Abteilung ist man ein doppeltes Objekt der Begierde: einerseits von einkaufenden Männern, weil Waschmaschinen zu den wenigen technischen Gerät gehören, mit denen umzugehen – so die Unterstellung – Frauen gewohnter und also erfahrener sind (während Spülmaschinen lieber von Männern adoptiert werden, warum auch immer); und andererseits von Verkäufern, die mittels desselben Klischees ein Gespräch auf Augenhöhe inszenieren, allerdings ohne mit einem weiteren ‚männlichen‘ Technikverständnis konkurrieren zu müssen. Vor beidem habe ich mich ein wenig gefürchtet, denn tatsächlich haben Waschmaschinen keine besonders guten Erfahrungen mit mir, und zudem habe ich in meinem Leben noch nie eine Waschmaschine gekauft (die erste war ein Geschenk meiner Eltern, vor immerhin 12 Jahren), weshalb ich mich für durchaus anfällig für die Vorführung ‚männlichen‘ Technikverständnisses hielt.
Der Verkäufer ließ im Mediamarkt auch nicht lange auf sich warten. Allein, das war gar kein Verkäufer, sondern ein Vertreter von Samsung, der mich also gar nicht beraten, sondern mir bloß eine Samsung-Maschine verkaufen wollte. Ich weiß nicht, ob es mittlerweile zum Usus gehört, dass neben (mehr oder weniger) unabhängigen Verkäufern, deren Rat wenigstens ich in Waschmaschinenangelegenheiten unbedingt bedarf, auch Unternehmensabgesandte auf Kunden losgelassen werden, um ganz gezielt zu desinformieren. Mir war der Samsung-Mann schon vorher aufgefallen, und mir war auch aufgefallen, dass er mich ins Visier genommen hatte, weshalb ich ihn auf seine nette Frage, ob er mir helfen dürfe, gleich auf seine Samsung-Zugehörigkeit angesprochen habe. Auch habe ich ihm sofort, vermutlich etwas überfallartig, eröffnet, dass ich auf keinen Fall ein Samsung-Produkt erwerben würde, weil ich damit wiederholt schlechte Erfahrungen gemacht hatte (Mobiltelefon und Laptop). Da zog er die Technikkarte: Na, wenn ich mich auf derart subjektive Erlebnisse verließe und von Fakten nichts wissen wolle, dringe er mit seinem Expertenwissen natürlich nicht durch … Ich ließ ihn also sein Expertenwissen anhand eines Vergleichs zweier Trommeln – ich habe die Fachbegriffe vergessen, pardon, und warum die eine besser sein sollte, als die andere, weiß ich auch nicht mehr – demonstrieren und entließ ihn, da er sein nächstes Opfer bereits ausgemacht hatte.
Doch auch dieser Käufer ließ sich offensichtlich nicht für dumm verkaufen, weshalb wir beide endlich ohne den Samsung-Mann dastanden und uns gegenseitig berieten (seine Siemens hat 20 Jahre gehalten!). Dann kam eine Verkäuferin, der ich sogleich meine vermeintliche Entschiedenheit für Bauknecht kundtat. Dann der Schock: „Bauknecht ist jetzt Whirlpool“, sagte sie (nein, eigentlich sagte sie: „Bauknecht ist jetzt Wörlpuhl“). Und nun? „AEG“, sagte sie, zeigte uns eine Maschine, beriet uns – und hatte in nicht einmal fünf Minuten zwei Maschinen verkauft (der Samsung-Mann war nach fünf Minuten noch nicht einmal zu seinem Trommelvergleich gekommen) – vermutlich zu ihrer Überraschung, weil sie den anderen Käufer und mich wohl anfangs für ein Paar gehalten hatte, da wir nett beisammen standen und plauderten. Der AEG-Co-Käufer wohnt, wie wir beim quasi parallelen Ausfüllen der Bestellzettel feststellten, nur ein paar Häuser weiter. Dass wir uns noch nie gesehen haben, mag in Berlin normal sein, aber sicher nicht in München. Und vielleicht ist das das eigentlich Zeitgemäße an dieser Geschichte: Dass nun Keine-Samsung unbekannterweise gleich doppelt in derselben Straße steht.
]]>