DSK darf wieder lächeln
DSK darf wieder lächeln

DSK darf wieder lächeln

Der Art. 11 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen besagt:

Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist solange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.

Viele der Fotos, die die Berichterstattung über die Vergewaltigungs-Vorwürfe gegen Dominique Strauss-Kahn begleiteten, haben meiner Meinung nach sehr explizit dagegen verstoßen. Denn sie haben DSK gerade nicht als „unschuldig angesehen“, sondern zeigten im Gegenteil: DSK mit zusammengekniffenen Lippen oder mit gesenktem Blick oder an den Fingernägeln kauend oder in Handschellen. Genau, so sehen Schuldige aus.

Dass DSK selbst seine Unschuld behauptete und der ganze Fall gelinde gesagt recht merkwürdig daher kam – was für eine vorbildliche Opfer-Biografie und was für ein perfektes Timing, so kurz vor der Kür zum aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten, die DSK für ein bisschen Sex doch kaum riskiert hätte – interessierte sichtlich wenig, weil die Erzählung vom Großen, der stürzt, und der Kleinen, der Unrecht widerfahren ist, einfach zu schön klang, um sie nicht wenigstens optisch und geldwertig unter die Leute zu bringen.

Da nun offenbar Zweifel an der Rechtschaffenheit des Opfers aufgekommen sind, wird zu allem Überfluss auch noch der vorgeblich feministische Slogan „Wir sind alle Zimmermädchen“ auf fürchterliche Art und Weise wahr: Die Zahl der tatsächlichen Zimmermädchen bei den öffentlichen Protesten dürfte eher gering gewesen sein, weshalb man den DemonstrantInnen durchaus vorwerfen könnte, dass sie das Opfer ebenfalls für die eigenen Zwecke instrumentalisiert haben, und zwar ebenfalls ohne zu wissen, was in Zimmer 2806 wirklich passiert ist. (Dass sich der Feminismus mal in den Dienst der Konservativen stellen würde, hätte ich mir auch nicht träumen lassen.)

Doch darum soll es hier gar nicht gehen, die Wahrheit wird man vielleicht nie erfahren. Nein, was mich heute wirklich aufgeregt hat, war nicht nur das Bild vom lächelnden DSK, mit dem Spiegel Online die Meldung über die Unglaubwürdigkeit der Zeugin illustriert (vgl. die durchweg nüchternen Fotos, die die New York Times gewählt hat), sondern mehr noch die zugehörige Überschrift, die von einer „spektakulären Wende“ in dem (laut Artikel) „Sex-Verfahren“ sprach. Offenbar will man einfach nicht wahrhaben, dass Journalisten weder der Exekutive noch der Judikative angehören. Und wenn Medien einen Angeklagten erst als schuldig vorstellen, noch bevor die Ermittlungen begonnen haben, um es dann „spektakulär“ zu nennen, wenn während der Ermittlungen Zweifel an dieser Schuld aufkommen, wird auch ihre Befähigung zur Ausübung der so genannten Vierten Gewalt in dieser unserer Gesellschaft des Spektakels ziemlich fraglich.

11 Kommentare

  1. Pingback: „Es sei denn, es kommt noch etwas hoch” « Stefan Niggemeier

  2. DSK, ob er wohl unschuldig ist? Frei, aber noch nicht freigesprochen: Dominique Strauss-Kahns Zeit im Hausarrest ist vorbei. Ein Richter in New York setzte den früheren Chef des Internationalen Währungsfonds unter Auflagen auf freien Fuß. Dies teilte das Gericht am Freitag mit. Strauss-Kahns Reisepapiere wurden einbehalten. Die Ermittlungen würden aber nicht eingestellt, erklärte die Anklage bei der Anhörung. Naja, das wars dann wohl gewesen. Der kleine Sarko in Frankreich wird wohl jetzt einige unruhige Nächte haben.

  3. JensE

    „[…] Offenbar will man einfach nicht wahrhaben, dass Journalisten weder der Exekutive noch der Judikative angehören. Und wenn Medien einen Angeklagten erst als schuldig vorstellen, noch bevor die Ermittlungen begonnen haben, um es dann „spektakulär“ zu nennen, wenn während der Ermittlungen Zweifel an dieser Schuld aufkommen, wird auch ihre Befähigung zur Ausübung der so genannten Vierten Gewalt in dieser unserer Gesellschaft des Spektakels ziemlich fraglich.“

    Treffender kann man es nicht zusammenfassen. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!

  4. Aha.

    Aha. Es ist also nicht ok, DSK Fingernägel kauend abzubilden, weil das eine Vorverurteilung darstellt. Aber es ist ok, Behauptungen wie „hätte er doch kaum gemacht“ aufzustellen und sich über Solidarisierungsdemonstrationen, feministische Solidarisoerungsdemonstrationen!, zu echauffieren. Und das kommt Ihnen nicht selbst ein wenig inkonsequent vor?

    So sehr der letzte Absatz auch stimmen mag – dieser Artikel ist ebenso unglücklich und wenig wertneutral geschrieben, wie die, welche er anprangern will.
    Es ist sicher geboten, daran zu erinnern, dass niemand dabei war und man sich mit Urteilen daher besser zurück hält, aber sich dann auch selbst daran zu halten, ist noch ein wenig erstrebenswerter.

    1. Ky

      Ein Urteil kann ich in diesem Artikel nicht erkennen. Hatte aber in der bisherigen Berichterstattung auch den starken EIndruck, dass eine Tendenz zur Schuld DSKs in den Medien vorherrscht.

    2. Kinch

      Sehe nur ich einen völlig anderen Anspruch zwischen einem privaten Blog und einem journalistischem Medium? Wo darf deiner Meinung nach, Katrin Schuster darüber schreiben, was sie heute aufgeregt hat?

      Es ist meiner Meinung nach absolut nicht inkonsequent, von einem Journalisten zu erwarten, dass er wertneutral über ein Ereignis berichtet und ihm dennoch das Recht zugestanden wird, seine persönliche Meinung im persönlichen Rahmen zu äußern.

      1. katrin

        Falls ich mich an dieser Stelle wirklich missverständlich ausgedrückt haben sollte:
        1. Ich weiß nicht, ob die Vergewaltigung stattgefunden hat oder nicht, und darüber will ich auch gar keine Mutmaßungen anstellen.
        2. Es liegt tatsächlich jenseits meiner Vorstellungskraft, dass der quasi schon designierte und aussichtsreichste Kandidat für das französische Präsidentschaftsamt – der sich in der Vergangenheit stets als recht kluger Mann erwiesen hat – ein paar Tage vor der Wahl so wenig Hirn beisammen hat, dass er versucht, ein Zimmermädchen zu vergewaltigen, weil ihm gerade nach Sex ist. Dieser Fisch stinkt doch vom Kopfe her…
        3. Klar könnte man das alles auch nüchterner ausdrücken. Sehr gelungen, weil zugleich deutlich und dennoch objektiv finde ich Lutz Herdens Text aus dem FREITAG: http://www.freitag.de/politik/1126-das-fall-scheint-erledigt-der-mann-auch

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