Noble Scheunen
Noble Scheunen

Noble Scheunen

So gut wie alle derjenigen Buchhändler und Verleger, deren Arbeit ich besonders schätze, verdrehen die Augen und lassen ihrem Ärger umgehend freien Lauf, wenn ich den Börsenverein erwähne. Auf die Kritik will ich hier nicht weiter eingehen, da ich fürchte, ich würde den Großteil davon völlig falsch darstellen, weil ich, peinlich genug, von Branchen-Interna schlichtweg zu wenig Ahnung habe. Und offensichtlich bin ich da nicht die Einzige, denn die Unzufriedenheit einiger Buchhändler und Verleger mit ihrem eigenen Branchenverband scheint kein Thema in den deutschen Medien zu sein.

Stattdessen findet etwas Anderes statt: Die gesamte Branche wird ein ums andere Mal als reformunwillig und fortschrittsfeindlich denunziert beziehungsweise fingiert. Und zwar am liebsten im Tonfall der Verschwörung: „Die Bekenntnisse des Börsenvereins zum E-Book wirken wie Lippenbekenntnisse [sic]. Dort wird das Thema offenbar genauso unterschätzt und kleingeredet, wie fast überall sonst in der deutschen Buchbranche“, heißt es zum Beispiel beim Branchendienst Meedia in einer völlig verkehrten Zusammenfassung einer Pressemitteilung des Börsenvereins (die nüchterne und wohl deshalb korrekte Variante hat die ZEIT).

Und das ist beileibe nicht der einzige Fall. Der Verdacht, dass eine solche ‚Allergie‘ gegen Intellektualismus und Autoritäten dem eigenen Mangel an beidem geschuldet ist, liegt nicht selten nahe, da solche Texte allererst durch ihre fehlende Selbstreflexivität und den Automatismus ihre Argumente auffallen. Als beherrsche das Prinzip Suchen-und-Ersetzen nicht nur den Alltag der Autoren, sondern auch deren Denken. Was „die“ Buchbranche und „die“ AutorInnen tun und lassen ist völlig gleichgültig, denn um sie und die Fakten geht es im Grunde gar nicht. Es geht einzig und allein um das, was sie (vermeintlich) repräsentieren. Das soll weg. Aus einem solchen Gestus spricht keine Lust an der Kritik, sondern Ressentiment. Oder anders, in den Worten von Konstantin Sakkas, den ich eben erst hier zitiert habe und der sich auf die „Kritik“ am Gedicht von Günter Grass bezieht:

In Deutschland dagegen [im Gegensatz zu Frankreich und dessen Diskussionsniveau, d.Verf.], dem Mutterland des Biedermeier mit seinem bräsigen Juste-Milieu und seiner großbürgerlich maskierten Kleinkariertheit, reicht es nur zum plumpen, primitiven Schulhofspott.

(Jene großbürgerlich maskierte Kleinkariertheit steckt in dem Meedia-Text in dem spitzfingrigen Hinweis auf „diese Klientel“; gemeint sind damit die Zuschauer des Shopping-Kanals QVC.)

Was der Suchen-und-Ersetzen-Reflex, bestimmte Dinge für „gut“ und andere für „böse“ zu halten, mit Texten macht, wenn er sich zum Search-and-Destroy-Modus mausert, konnte man diese Woche auch ganz konkret erfahren. In seinem Blog berichtet Philip Howard von seiner Lektüre von Tolstois „Krieg und Frieden“, da er an mehreren Stellen über den seltsamen Einsatz des Wörtchens „nook“ stolperte. Irgendwann ging ihm ein Licht auf: Sein Ebook-Reader hatte jedes einzelne „kindle“ mit „nook“ ersetzt. Denn die „Krieg und Frieden“-Version war ursprünglich eine Version für den Kindle-Reader von Amazon, Howard aber benutzt den „Nook“ genannten Reader der Buchhandelskette Barnes & Noble.

Als letzter Beweis, dass nicht alles digitales Gold ist, was glänzt, und Buchhändler, die mit gedruckten Waren handeln, nicht ganz so schlecht sind wie ihr Ruf, mag diese Aktion hier gelten. Ich zweifle fast ein wenig daran, dass einem Online-Medium eine ähnlich schlaue und schlichte Propaganda eingefallen wäre.

(Im Guardian findet sich ein schöner Artikel über die zentrale Bedeutung der Tradition für den Buchmarkt.)

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