Die natürliche Ordnung
Die natürliche Ordnung

Die natürliche Ordnung

Mit dem Begriff „Lügenfernsehen“ ist der so genannten Scripted Reality meiner Meinung nach nicht beizukommen. Denn das impliziert, dass hinter der Erfindung irgendeine Wirklichkeit existierte. Tut sie aber nicht. Zumindest nicht mehr als hinter jeder Tatort-Folge oder Vorabendsoap, während der man sich manchmal ebenfalls vor der minderen Qualität der Schauspielerei gruselt. Wieso also einen Unterschied machen? Vor allem da eine derartige Differenzierung blind macht für die Semantik dieser Art des Fernsehens – und gleichsam als Entschuldigung dafür dient.

Denn klar ist doch: Was die so genannte Scripted Reality erzählt, ist einzig und allein den Hirnen beziehungsweise den Geschlechtsteilen (was manche offensichtlich nicht unterscheiden können) ihrer Verfasser geschuldet und hat mit der Realität am besten so wenig wie möglich zu tun. Es handelt sich um pure Fiktion, die nunmal nichts über die Wirklichkeit, dafür umso mehr über die Ideologie ihrer Autoren besagt. Und da kann man dann mal sehen, wo diejenigen, die in Deutschland an der Öffentlichkeit mitschreiben und mitverdienen, so unbedingt, ja geradezu zwanghaft die Konfliktpotentiale verortet sehen möchten. Denn die Botschaften der sog. Scripted Reality sind ziemlich unmissverständlich: Die soziale Unordnung, von der sie ein jedes Mal wieder handelt, ist in den meisten Fällen entweder auf einen Menschen mit Migrationshintergrund oder auf einen vermeintlichen Fehler in der Genealogie (Adoption, Stiefvater, jüngere Frau etc.) zurück zu führen.

Wo die angeblich „natürliche Ordnung“ der Genealogie (deutsch und heterosexuell bis dass der Tod euch scheidet) in Gefahr ist, da ist die Scripted Reality mithin nicht weit, um diese Gefahr in ihren buntesten Farben auszumalen. Die angebliche Realität dahinter ist – man kennt es ja leider viel zu gut – nur die billige Ausrede, um diese Behauptung von der Notwendigkeit einer biologisch und ethnisch einwandfreien Fortpflanzung unters Volk zu bringen. Ich muss zugeben: Angesichts solcher Phantasmen ist mir das manchmal etwas peinliche Bemühen des Tatorts um Ethno-Mainstreaming in jedem Fall sympathischer. Mir ist nur unklar, warum die sog. Scripted Reality Geschichten erzählen darf, die umgehend einen Sturm der Entrüstung auslösten, wenn sie in einem Tatort erzählt würden. Aber das ist eben der große Irrtum der Fernsehkritik: dass Trash weniger zu sagen hat als Qualitätsfernsehen. Ich fürchte sogar, es ist genau umgekehrt.

P.S.: Es möchte mir bitte keiner dieser so genannten Autoren der so genannten Scripted Reality erzählen, dass irgendwer da oben solche Storys verlangt, weil irgendwer da unten sich angeblich gerne solche Storys ansieht. Dieser Versuch, sich aus der Verantwortung zu stehlen, ist ja ebenfalls nicht ganz neu.

Ein Kommentar

  1. Hans

    „Es möchte mir bitte keiner dieser so genannten Autoren der so genannten Scripted Reality erzählen, dass irgendwer da oben solche Storys verlangt, weil irgendwer da unten sich angeblich gerne solche Storys ansieht. Dieser Versuch, sich aus der Verantwortung zu stehlen, ist ja ebenfalls nicht ganz neu.“

    Der einzigen Personengruppe, die sich „die da oben“ einer Verantwortung schuldig fühlen, ist die Konzernleitung.

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