„Schlaumeier-Medien“
„Schlaumeier-Medien“

„Schlaumeier-Medien“

Stefan Niggemeier hat den Text-Fabrikanten Stefan Winterbauer vor einigen Tagen als „Blinden unter den Einäugigen beim Branchendienst Meedia“ bezeichnet. Ich hielt das zuerst für eine unzulässige Despektierlichkeit – doch das tue ich mittlerweile nicht mehr. Der Grund dafür ist Winterbauers Meedia-Text „Feuilleton-Trolle im Dschungelfieber“. Denn der ist ein geradezu vorbildliches Zeugnis dafür, dass Intellektuellenfeindlichkeit längst (wieder) populär geworden ist. Der kleinbürgerliche Hass, der in diesem Text zutage tritt, ist wahrlich gruselig.

Dass es mit Winterbauers rhetorischen Fähigkeiten nicht allzu weit her ist, bedeuten mir nicht nur die Rechtschreib- und Grammatikfehler, sondern auch die entlarvende Wucht, mit der er auf seine Gegner losgeht. Was er vermutlich für Ironie hält, spricht im Gegenteil die deutliche und bösartige Sprache eines aggressiven Minderwertigkeitskomplexes. Winterbauer schreibt nicht nur von „Feuilleton-Trollen“, sondern auch von „geistigen Hochfliegern“, von einem „akademisch vorbelasteten“ Publikum, von „Elite-Lesern“ und „Schlaumeier-Medien“.

Schon im Vorspann verbietet der Autor der Kritik mehr oder weniger unverblümt den Mund: Wer auf das „Dschungelcamp“ schimpfe, der tue das nur, so die Winterbauersche Verschwörungstheorie, um Klicks zu generieren. Alles, was nur den Hauch von Bildung verströmt, ist ihm suspekt und wird entsprechend pauschal abgebügelt. Was darin gipfelt, dass er einen leicht verständlichen Satz (der mir sogar recht gut gefällt) als „verschwurbelt“ kennzeichnet. Was Winterbauer nicht kapiert, das darf offensichtlich nicht sein. Dass Meedia diesem ostentativen Hirn-Benutzungs-Unwillen ein Forum gibt, kann ich leider nur schwer verstehen. Oder nur zu gut: Populismus wird eben gern gesehen und gelesen. Wieso sollte man es sich denn schwer machen, wenn es auch so simpel geht?

Eine solche Rhetorik begegnet einem leider immer wieder, zuletzt etwa in der Diskussion über Guttenberg (vgl. Julie Engels Markus Webers Blogartikel darüber, dem ich auch den Hinweis auf den hier kaum weniger passenden Dunning-Kruger-Effekt verdanke) oder in Martin Walsers so genannter Schlussstrichrede, in der der Schriftsteller über „von Eitelkeiten dirigierte Gewissenskämpfer“ und „Meinungssoldaten“ schwadronierte. Doch während Walser vermutlich ziemlich genau wusste, was er da tat, scheint Stefan Winterbauer keinerlei Begriff davon zu haben, in wessen Nähe er sich mit diesem Text begibt. Oder eben kein Problem damit. Was im Grunde nicht verwunderlich ist: Die Thematisierung rhetorischer Gebärden, die der Logik der Verunmenschlichung gehorchen (siehe auch meinen Artikel „Die Lust am Lager“), ist eben Sache der Schlaumeier-Medien. Und was die zu sagen haben, findet Stefan Winterbauer ja bekanntermaßen lächerlich.

9 Kommentare

  1. Stefan Winterbauer

    Bravo! Ein hervorragender Artikel von „rhetorischer“ (sic!) Brillanz! Allein das Wort „ostentativ“ musste ich im Fremdwörter-Duden nachschlagen. Als altem Intellektuellen-Hasser und notorischem Kleinstbürger, werden Sie mir das aber gewiss nachsehen. Schöne Grüße

    1. katrin

      Ach, mit meiner Nachsicht ist´s momentan nicht weit her, wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist. Zudem sollten Sie sich nicht mit Ihrem Text verwechseln, das wäre m.E. hilfreich. Ich grüße schön zurück!

  2. Pingback: Das wird niemals zur Belastung | katrin schuster

  3. Bernd

    Natürlich gibt Meedia dem Herrn Stefan Winterbauer ein Forum, denn er ist Mitglied der Chafredaktion. Meedia scheint mir die „jungen Wilden“ des mainstreams zu repräsentieren, völlig opportunistisch angepasst an die Machtstrukturen, aber mit jung dynamischem layout, das Modernität vortäuscht aber politische Bildungslücken auf breiter Front erkennen läßt.

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