Verrat, Bruderzwist, KZ und so weiter
Verrat, Bruderzwist, KZ und so weiter

Verrat, Bruderzwist, KZ und so weiter

Wer hier ein wenig mitliest, der weiß natürlich längst, dass ich große Schwierigkeiten habe, Gewalt, auch psychische, als Unterhaltung zu konsumieren. Das Dschungel-Camp halte ich für ziemlich perfiden Lager-Spaß, und kein geringer Teil der Filme über den Nationalsozialismus landet bei mir im Ordner „Holocaust-Kitsch“. Letzteres ist mir so unerträglich, weil ein Genozid auf banalste Emotionen heruntergekocht wird. Ich weiß, dass diese Meinung von vielen Menschen nicht geteilt wird; bei Grimme habe ich etwa eine Kollegin ehrlich entsetzt, als ich den Film „Nicht alle waren Mörder“ als „Holocaust-Kitsch“ bezeichnet habe (was ich heute vielleicht nicht mehr tun würde).

Was ich aber bislang annahm: dass wenigstens sog. seriöse Journalisten ein wenig bedachter umgehen mit der Lust am Opfer. Tun sie offensichtlich nicht, wie ich heute feststellen musste, als ich Evelyn Rolls Besprechung des Adlon-Dreiteilers las. Dass die FAZ-Kritik von Andreas Kilb diesem Text in jedem Fall vorzuziehen ist, war mir schon nach den ersten Sätzen klar. Roll schreibt:

Adlon verpflichtet. Hotel-Faction funktioniert. Und wir haben in diesem Land wirklich große Schauspieler.

Mir gefällt weder das Wortspiel noch die Beschwörung des nationalen Talents. Ist aber auch egal, denn der Hammer folgt erst ein paar Absätze später:

Uli Edel (Buch und Regie) und Rodica Döhnert (Buch) haben in die – ohnehin schon aufregende und mit der deutschen Geschichte subtil verwobene – reale Familien- und Hotelgeschichte der Adlons den erfundenen Erzählstrang einer zweiten Familie geflochten. Sie bringt alles mit, was eine große Erzählung außerdem braucht: noch mehr Drama, ein Familiengeheimnis, Liebesgeschichten, politische Verwicklung, Verfolgung, Mord, Verrat, Bruderzwist, KZ, Ausbürgerung.

Sehen wir von dem Unsinn mit der „subtil verwobenen“ Geschichte einmal ab (Louis Adlon hat sich sehr darum bemüht, dass die SS sich in seinem Hause trifft) und lassen uns stattdessen auf der Zunge zergehen, was nach Meinung von Evelyn Roll eine „große Erzählung“ also unbedingt benötigt: „Drama, ein Familiengeheimnis, Liebesgeschichten, politische Verwicklung, Verfolgung, Mord, Verrat, Bruderzwist, KZ, Ausbürgerung“.

Ich weiß nicht, ob die SZ-Redakteure dieses in verschämte Initialen verpackte, unterschiedslos eingereihte „KZ“ einfach überlesen haben oder sie dessen Erwähnung womöglich als provokant goutieren. Ich finde es schlicht und einfach geschmacklos, die NS-Leichenfabriken gleichzusetzen mit „Familiengeheimnissen“, „Liebesgeschichten“ und so weiter, die allererst als (zudem fiktive) Abstracta genannt werden, und ein KZ also als einen Garanten unter anderen für gute Unterhaltung zu bezeichnen.

Warum auch immer kommt mir just in diesem Moment in den Sinn, wie sich Evelyn Roll einst über „politische Korrektheit“ beschwerte, weil sie Sarrazin nicht öffentlich Recht geben durfte. Und es dann doch tat:

Natürlich sagen wir: Berlin muss aufpassen, dass die Türken das nicht so mit uns machen wie die Kosovaren mit dem Kosovo, die kriegen die vielen Kinder, wir haben im Durchschnitt ein halbes Kind, und die kriegen sieben Kopftuchmädchen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.