Wie wohl viele andere Menschen hat auch mich das Projekt „st_ry“ von Anfang an interessiert und fasziniert. Eine Reportage, finanziert durch crowdsourcing:
Wir glauben: Zuschauer lassen sich gute Inhalte etwas kosten – wenn sie darauf vertrauen können, dass mit ihrem Geld kein überflüssiger Schwachsinn angestellt wird.
Von den Sourcern erbittet man sich jedoch nicht nur profanes Geld, sondern echte Teilhabe:
Der Entstehungs- und Produktionsprozess ist dabei immer transparent, wird permanent aktualisiert und nachvollziehbar aufbereitet. Kein Medienkonzern, keine Politik, kein Sendergremium hat die Finger im Spiel.
Bei all diesen Sätzen klingelte bei mir nicht nur einmal die Floskel-Glocke, weil wirklich alles auftaucht, was gerade als „Zukunft des Journalismus“ begriffen werden will, und zwar gewürzt mit ein paar Prisen flockig formulierten Ressentiments. Da hätten wir jenes so simpel der Marionetterie zu verdächtigende trio infernale Wirtschaft/Politik/Bürokratie: „Kein Medienkonzern, keine Politik, kein Sendergremium hat die Finger im Spiel“; und da hätten wir noch ein hübsches Bisschen mehr Volkstribun: „… dass mit ihrem Geld kein überflüssiger Schwachsinn angestellt wird“, (Herv. von mir).
Entsprechend gespannt war ich auf die vier Themen (und v.a. deren Vorstellung), über die alle Nutzer (nicht nur die Sourcer) online abstimmen können. Sie heißen:
1. Kann das Netz die Politik heilen?
2. Mein Fleisch, mein Korn, mein Hamburger
3. Kommt digitale Liebe besser?
4. Gebt mir meine Daten zurück!
Es tut mir ehrlich leid, aber trotz der Lektüre der Mini-Exposés (bitte selbst lesen: Ich wollte die hier nicht alle vier in voller Länge zitieren) interessiert mich keines dieser Themen. Weil ich schon die Fragen nicht verstehe bzw. nicht für Fragen halte. Bzw.: Ich finde es mindestens merkwürdig, ja, sogar ziemlich betrüblich, dass ein innovatives Format thematisch gerade nicht innovativ ist, sondern nicht mehr und keine anderen inhaltlichen (nicht formalen!) Denkansätze zu bieten hat als das öffentlich-rechtliche (Netz-/Ökothemen) und das private (Selbstversuch/Ökothemen) Fernsehen, die all diese Themen nun schon mehrfach und zudem komplexer beackert haben, als die st_ry-Mini-Exposés vermuten(!) lassen. (Man muss sich dieses Glücksversprechen „keine Politik“ wirklich auf der Zunge zergehen lassen.)
Man könnte auch behaupten: st_ry ist populistisch. Ich glaube tatsächlich, dass die Form der Finanzierung bereits die Themenwahl bestimmt hat (Netzthemen für die „Netzgemeinde“). Und genau das ist es, was ich im Journalismus eigentlich gern für unzulässig halten würde. Und noch lieber möchte ich es für eine Unterschätzung der sog. „Netzgemeinde“ halten, wenn man ihr unterstellt, dass sie nur für Geschichten über eigene Anliegen, also nur zur narzisstischen Genugtuung, den Geldbeutel zückt (aber z.B. nicht für eine Reportage über ein anderes großes soziales Thema der Zeit, denn daran denen mangelt es wahrlich nicht). Allein, das fällt mir angesichts von st_ry ziemlich schwer. (Ähnlich schwer übrigens wie bei einem heutigen Artikel aus der SZ, der allererst seine diskursive Unzulänglichkeit beweist, aber unbedingt Byung-Chul Han (wiki) als Schwätzer hinstellen will.)
PS für denjenigen, den es angeht: Das mit dem weißen Anzug war unter Alkoholeinfluss gesagt, aber trotzdem sowas von richtig.
Pingback: Warum die #st_ry-Themen nicht belanglos sind | Daniel Bröckerhoff
Hallo Katrin,
Vielen Dank für Deine Kritik und Dein Feedback. Ich hab auf meinem Blog ausführlich geantwortet: http://danielbroeckerhoff.de/2013/04/16/warum-die-st_ry-themen-nicht-belanglos-sind/
Liebe Grüße,
Daniel