Ich verstehe selbstverständlich den Affekt, der Paranoia von Katzenkrimi-Autoren öffentlich widersprechen zu wollen, wenn deren offensichtlich rassistischer und sexistischer Mist – sofern man den bisherigen Besprechungen Glauben schenken darf – zum Bestseller avanciert. Allein: ein Gutteil der Bücher in den Top Ten zeichnet sich durch Dummheit, Xenophobie, schlechtes Deutsch und eine reaktionäre Ideologie aus; es gäbe mithin vieles, dem man widersprechen müsste. Irgendwie scheint jedoch – um nur zwei Beispiele zu nennen – der antisemitische Gehalt der BIS(S)-Serie oder die rassistische Semantik vieler Lokalkrimis weniger attraktiv für Kritiker zu sein als Sachbücher von Autoren, die vorgeblich klar sagen, was sie so meinen über Deutschland, die Welt und ihren Penis (was dann nicht selten miteinander verwechselt wird).
Das Problem ist nur: der anekdotischen Evidenz, die all diese Sachbücher verbindet, ist mit dem Besteck des Kritikers und/oder des Journalisten nur sehr schwer beizukommen. Anders gesagt, in den Worten eines Germanistikprofessors: Eine solche Ideologie ist nicht dekonstruierbar, weil sie gar nicht erst auf Logik und Ratio fußt. Wohl auch deshalb gelang (meiner Meinung nach) bislang keinem eine angemessene Reaktion auf die Behauptung, in Deutschland herrsche ein „irrer Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“. Wie sollte man auch einem subjektiven Eindruck widersprechen, der derart offenkundig falsch ist und den Mangel an Wirklichkeitsgehalt mit Populismus und Verschwörungstheorien mehr schlecht als recht zu verschleiern versucht?
Den Vogel abgeschossen hat allerdings die ZEIT, die das Buch des Katzenkrimiautors zunächst als authentisches rühmt, das „aufrichtigen Herzens“ geschrieben wurde. Dann folgt die Schilderung dessen, wogegen sich der Katzenkrimi-Autor wendet:
Dass der Zuzug von Ausländern die Republik bunter mache, dass das biologische Geschlecht nur eine soziale Konstruktion sei, dass Frauen nicht an den Herd gehörten, dass alle Formen der Sexualität gleichwertig seien[…].
Spätestens dieser zweite Absatz macht deutlich, dass der Verfasser dieses Artikels (und mit ihm die Korrekturleser des Textes) nicht zu wissen scheint, wovon er spricht, da er dieselben Quatsch-Behauptungen aufstellt, wie der Katzenkrimi-Autor, und diesem damit implizit recht gibt, sei es bewusst oder unbewusst. Denn niemals nie seit Beginn dieser Disziplin hat die Gender-Wissenschaft behauptet, „dass das biologische Geschlecht nur eine soziale Konstruktion sei“. Es handelt sich dabei vielmehr um ein „Argument“, mit dem ihre Gegner sie zu denunzieren versuchen: Gender-Forschung leugne, dass Frauen Brüste und Männer einen Penis hätten. Das ist allerdings Schwachsinn, und zwar völliger.
Richtig in dem ZEIT-Artikel ist dagegen der Vergleich mit dem Buch Mein Kampf von Adolf Hitler – wer da einmal hineingelesen hat, kann die Parallele nur vorbehaltlos bestätigen. Umso überraschender die Pointe in der ZEIT:
Das alles ist so wüst vorgetragen, dass es schon wieder komisch ist. Mit dieser Attitüde lässt sich kein Staat machen, nicht einmal eine Splitterpartei für Überzeugungsspießer.
Das finde ich nun wirklich eine seltsame, ja vielleicht sogar feige Volte, weil der Text am Ende also vor seiner eigenen These zurückzuckt. Schließlich war es just Mein Kampf, mit dem Adolf Hitler einen Staat gemacht hat, der Menschen erst rhetorisch ausgegrenzt und sie im Anschluss ganz real industriell vernichtet hat.