Nicht in diesem Leben
Nicht in diesem Leben

Nicht in diesem Leben

Ich bin dann doch immer wieder überrascht, mit welcher Dreistigkeit Pro Sieben noch so tut, als wäre Popstars eine Fernsehsendung. Denn Fernsehsendungen zeichnen sich – zumindest meiner Meinung nach – ja dadurch aus, dass eine Redaktion, im besten Fall eine unabhängige, über deren Inhalte entscheidet. Auch dachte ich immer, dass über die Musik, die auf den Markt kommt, von Plattenfirmen entschieden wird. Die denken dabei vor allem an die Markttauglichkeit, das mag schon sein; aber immerhin denken sie sich überhaupt noch was dabei. Dass bei dem neuen Popstars-Song weniger eine Plattenfirma als vielmehr ein Uhrenhersteller seine Finger – und damit eben vermutlich auch seinen Marketing-Etat – im Spiel hatte, wird auch gar nicht verheimlicht: Er heißt „No time for sleeping“, eine Armbanduhr der Firma Swatch ist am Anfang des ersten Videos der neuen Popstars-Band La Vive groß im Bild, ein Band-Mitglied trägt während des gesamten Videos eine Armbanduhr der Firma Swatch am Handgelenk und hält sie gerne in die Kamera, und am Ende sieht man zur Sicherheit noch einmal ein bildschirmfüllendes Zifferblatt einer Uhr der Firma Swatch. Von den außergewöhnlich guten Stimmen der vier Sängerinnen ist dagegen fürchterlich wenig zu hören.

Womöglich sind meine Annahmen aber auch einfach nur naiv – und es handelt sich bei Popstars um keine Möchtegern-Fernsehsendung, um keine Möchtergern-Stars, um keine Möchtegern-Musik, sondern um das, was Fernsehen, was Stars, was Musik heute sind: Werbemittel. Sonst würde die Wirtschaft ihr Geld doch kaum so massenhaft und in solch immer schneller verpuffende Projekte wie Popstars-Bands stecken. Plattenfirmen wiederum scheinen mithin verzweifelter, als man ihnen es bislang glauben wollte; mit Musik allein ist offenbar wirklich kein Geld mehr zu machen, sonst müsste man sie ja nicht noch weiterverkaufen.

Das Problem ist nur: Das Fernsehen, die Stars, die Musik schaffen sich (oder auch: ihre Kernkompetenz) dadurch selbst ab. Nicht ohne Grund scheinen ja die Nischen- und Subkulturen, die Gegen- und Nebenbewegungen heute so präsent und zugleich so zerstückelt wie nie zuvor: Es gibt noch immer welche, die meinen, Fernsehen, Stars, Musik müssten etwas anderes sein als Werbemittel. Üblicherweise nennt man diese Leute Kulturpessimisten oder auch Idealisten. Zu denen zähle ich mich selbst eigentlich ganz gerne. Ich weiß nur nicht, ob sie Recht haben. Recht bekommen, so viel steht fest, werden sie jedenfalls nicht. Nicht in diesem Leben.

2 Kommentare

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