Journalismus heißt jetzt „Jagd“
Journalismus heißt jetzt „Jagd“

Journalismus heißt jetzt „Jagd“

Mit Erstaunen beobachte ich, wie täglich mehr Menschen Fans der Facebook-Seite „Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg“ werden. Mich wundert nicht die Zahl der Befürworter als solche, das sei jedem unbenommen, sondern wie viele Leute doch mal schnell den Daumen heben, wenn offensichtliche Hetze betrieben wird. Denn von einer „Jagd“ kann nun wirklich keine Rede sein. Bislang habe ich jede Menge Ausfälle der Befürworter gehört – von „Weg mit dem SPIEGEL!“ bis zur „bolschewistischen Rufmordkampagne“ –, jedoch keine nur ähnlich groben Äußerungen aus den Reihen der Guttenberg-Gegner. Was die Pro-Guttenbergs als „Jagd“ bezeichnen, meint nämlich nichts anderes als das ganz normale Verhalten und Gebaren einer freien Presse: Recherchieren, Nachfragen, Kritisieren, Berichterstatten.

Was mir fast noch mehr Angst und Sorgen bereitet, ist jedoch die völlige Immunität der Pro-Guttis gegen rationale Argumente. Denn klar ist doch: Der Autor der Doktorarbeit „Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“ hat viel zu viel von Anderen abgeschrieben, als dass man die Arbeit noch als selbstverfasst und eigenständig durchgehen lassen könnte. Sollte es sich bei dem Autor um Karl-Theodor zu Guttenberg handeln, dann hat er sich einer Verletzung des Urheberrechts schuldig gemacht, die sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen zur Folge haben könnte. Handelt es sich bei dem Autor dagegen nicht um Karl-Theodor zu Guttenberg, dann ist der deutsche Verteidigungsminister mindestens seinen Doktortitel los. Nun kann man darüber streiten, ob er deswegen zurücktreten muss (gegen den Schwarzgeld-Transport des aktuellen InnenFinanzministers erscheint Guttenbergs Verhalten womöglich wirklich nur als Kavaliersdelikt), die Fakten leugnen kann man jedoch nicht. Genau das tun allerdings die Fans der Facebook-Seite – und verhökern dabei auch gleich noch die getöteten Soldaten, die nun als Begründung der Unwesentlichkeit der Debatte herhalten sollen. Eine gleichgeschaltete Presse wäre ihnen offenbar lieber.

Wenn Journalismus als „Jagd“ bezeichnet und die freie Presse derart düpiert wird wie von Guttenberg während der Bundespressekonferenz, dann wundert einen freilich nicht mehr, dass dem Mob auch die Zukunft der Wissenschaft in Deutschland am A… vorbeigeht, ja, seiner Meinung nach wohl am besten abgeschafft gehört. Denn über die Konsequenzen der eventuellen Nicht-Konsequenzen für Guttenberg sollte man sich schon im Klaren sein: Darf er seinen Doktortitel behalten, dann hat kein Professor und kein Dozent in Deutschland mehr die Möglichkeit, eine Arbeit aufgrund darin enthaltener Plagiate zurückzuweisen, im Gegenteil müsste man sie wohl ebenfalls mit „summa cum laude“ bewerten. Für die Forschung – und damit den viel gerühmten Forschungs- und Bildungsstandort Deutschland – handelt es sich mithin um eine Katastrophe übelsten Ausmaßes, da den Lehrenden schlichtweg die Grundlage ihrer Arbeit entzogen wäre.

Die Bildungsministerin Annette Schavan wäre meiner Meinung nach deshalb nach Guttenberg die nächste, die ihren Hut nehmen sollte. Auch wenn ich ihr durchaus Recht gebe, dass man niemanden vorverurteilen sollte, so hätte ich mir doch gewünscht, dass sie im selben Atemzug das Plagiieren aufs Schärfste verurteilt – statt sich hinter Guttenberg zu stellen, auf dass ihr Schweigen in dieser Sache nicht allzu sehr auffällt. Den Angestellten und Beamten der deutschen Universitäten bleibt nun nichts anderes, als laut zu werden, und zwar bitte sehr, sehr laut. Und dabei geflissentlich zu überhören, dass man sie, die intellektuelle Elite dieses Landes, mal wieder als Rufmörder, Bolschewisten und Vaterlandsverräter bezeichnet.

Empfehlung als Nachtrag: Fast in derselben Minute wie ich publizierte Katharina bei Coffee and TV einen Text über die Angelegenheit. Sie endet: „Wenn Guttenberg seinen Doktor behalten darf, obwohl sich jeder selber ein Bild vom Ausmaß der Abkupferei schon in der Einleitung seiner Diss machen kann, dann ist das ungefähr das ungerechteste, was mir in meiner Zeit an der Universität untergekommen ist.“

12 Kommentare

  1. Das Verhalten der Guttenbergfreunde erinnert mich nicht umsonst an die reaktionären Amerikaner, die zB wie zuletzt, sich durch die Tea-Party Demos lautstark und vor allem völlig irrational zu Wort gemeldet haben. Deutschland mag nicht die tollsten Politiker haben aber die Menschen haben bis vor nicht allzu langer Zeit noch mitgedacht. Seit Sarrazin und nun Guttenberg scheint diese rechte Paranoia auch hier Fuß zu fassen. Es ist einfacher die anderen als Spinner hin zu stellen, wenn man nicht diskutieren sondern säubern will.

  2. Mett

    Nur mal eine Frage: Warum widmet sich die Presse nicht mit der selben Leidenschaft und Genauigkeit der politischen Arbeit zu Guttenbergs? Warum kann ich nirgendwo auf einemn Blick nachsehen, was der Typ politisch geleistet hat? Klar ist das eine ganz peinliche Geschichte für ihn, sollte aber doch nicht der einzige Punkt sein, dem man ihm vorwerfen kann. Ich brings mal auf den Punkt: Wenn Gutti ein guter Politiker wäre, wäre es mir egal, ob er bei seiner Diss schlampig vorgegangen wäre und ihm sein akademischer Grad nun flöten geht. Wenn er aber ein mieser Politiker wäre, würde das den Kohl auch nicht mehr fett machen.

    Die freie Presse düpiert sich übrigens selbst: http://youtu.be/2cyy5KTYAnU Solange nur ein Team rausgeworfen wird, ist es der Meute egal. Wenn aber die Meute draußen steht, ist es auf einmal ganz schlimm. Die Presse soll ihre Arbeit ordentlich und objektiv machen und nicht die ganze Zeit von Pressefreiheit faseln. Natürlich bedeutet Pressefreiheit auch, zu berichten worüber man möchte. Dann soll man aber die Sprüche von der 4. Gewalt bleiben lassen.

  3. Ich kann mich der zentralen Äußerung anschließen, denn es geht NICHT um eine Kampagne gegen Herrn zu Guttenberg, vielmehr um eine lückenlose Aufklärung. Glaubt man vergebens, dass der betroffene selbst für die Aufklärung sorgt, ist es das Recht der Presse dafür zu sorgen! (Art. 5 GG)

  4. Anna

    Ich finde deinen Text wirklich gelungen und er beschäftigt sich mit vielen Fragen, die ich mir in den letzten Tagen auch schon gestellt habe. Vor allem das abtun des Plagiats als „Kavaliersdelikt“ bringt mich als Studentin auf die Palme, bei jedem anderen Studenten oder Doktoranden würde dieses sicherlich schlicht „Betrug“ genannt. Vor allem auch die anscheinende Auswahl der Journalisten bei Guttenbergs Statement stößt übel auf, vor dem Hintergrund der Presse- und Meinungsfreiheit. Werden jetzt also nur noch wohl gelittene Journalisten eingeladen?
    Danke noch mal für den guten Artikel.

  5. Pingback: [ Her-Life.com Weblog ] » Die anderen Wahrheiten über zu Guttenberg

  6. Dr. G. Hennessen

    Endlich geschafft!. Er ist zurückgetreten. Nein, es hat nicht gereicht sich nur zu entschuldigen und die Konsequenzen aus dem Fehler zu ziehen, nein er muss auch politisch zerstört werden. Schade, denn für Deutschland war er ein echter Gewinn bei den ganzen Abnickern und Drückbergern in der aktuellen Politik. Warum gehen denn immer weniger Menschen zu Wahlen?
    Wie viele unserer (Oppositions)-Politiker waren vor gewissen Zeiten „kriminell“? Neben v. Guttenberg muss sich vor allem auch der Doktorvater und die Uni Bayreuth schämen eine solche Arbeit überhaupt durchgehen zu lassen.
    Aber wir können sicher sein, die Presse findet in wenigen Tagen eine neue „Sau“ die dann durchs Dorf getrieben wird.
    Mit enttäuschten Grüßen
    G. Hennessen

  7. katrin

    Wenn ich nur wüsste, was Sie mit „Konsequenzen aus dem Fehler ziehen“ meinen. Denn genau das hat er ja erst einmal nicht getan. Der Rücktritt war die einzig mögliche Konsequenz.

  8. Dr. G. Hennessen

    Konsequenzen heißt nicht unbedingt nur zurücktreten und den Kopf einziehen. Die Zurückgabe des Titels und auch die Akzeptanz möglicher Strafen hätte völlig ausgereicht.
    Sie und anscheinend auch ein Teil der Presse wundern sich, dass die Bevölkerung so hinter Guttenberg stand/steht. Das unsere Politiker mehr oder weniger dreist lügen und betrügen ist man zwischenzeitlich gewohnt, nur dass jemand sympathisch und positive rüber kommt darf einfach nicht sein. Vor allem wenn er dann auch noch sein Handwerk versteht und in seinem Amt beliebt ist.
    Der Kommentar der Bundeskanzlerin über die „Menschenjagd“ und die Absichten der Opposition, nur zu schaden und nicht etwa Deutschland zu nutzen wurde erstaunlicherweise nur in den RTL Nachrichten und am nächsten Morgen in Bayern gesendet?! Weder ARD noch ZDF haben diesen Kommentar gesendet, lieber noch ein wenig Polemik gemacht. Das zur neutralen Presseberichterstattung.
    Mit freundlichen Grüßen

    G. Hennessen

  9. katrin

    Nur zur Klärung: Ich wundere mich an keiner Stelle, dass Teile der Bevölkerung mit Guttenbergs Betrug offensichtlich kein Problem haben. Ich wundere mich einzig und allein über die Formulierung, es handle sich bei der Arbeit der Presse um eine „Jagd“.

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