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Meine Aversion gegen Diskussionsrunden steckt freilich in einem Teufelskreis: Ich meide solche Veranstaltungen, da meiner Meinung nach meist wenig Neues dabei herausspringt, außer vielleicht, dass die Rhetorik der Teilnehmer deren jeweiliges Ethos offenlegt. Aber natürlich kann ich auch nicht eines Besseren belehrt werden, solange ich nicht hingehe. Auf der Buchmesse habe ich deshalb mal wieder eine Ausnahme gemacht: Das Thema der Runde lautete – hm, ein regelrechtes Thema nennt die Vorankündigung gar nicht, stattdessen steht als Überschrift über der Veranstaltung: „Forum Blog: Verlage, Blogger und Websites im Gespräch auf der Frankfurter Buchmesse 2011“ (wie Websites ins Gespräch kommen sollen, weiß ich leider auch nicht). Als Gäste geladen waren Tina Pfeifer vom Bastei Lübbe Verlag, Caroline Lauth vom S. Fischer Verlage, die „Journalistin und Bloggerin“ (immer diese Differenzierungen!) Andrea Diener und Cao Hung Nguyen, der den Web-2.0-Verlag Epidu gegründet hat und auch das Portal bloggdeinbuch.de mitverantwortet. Moderiert wurde das Gespräch von Wolfgang Tischer von literaturcafe.de.

Nun dachte ich tatsächlich, es ginge hier um Literatur-Blogs, an denen es hierzulande ja einen fürchterlichen Mangel hat – zumindest meiner Meinung nach, die ich gerne ein solches lesen würde, aber einfach keines finde (Tipps bitte gerne in den Kommentarthread! Ich will nicht behaupten, dass ich täglich das Netz danach durchforste…), da ich weder an den gereimten Herzensergießungen von Frauen interessiert bin, die geistig nie über die Pubertät hinausgekommen sind; noch mir anhören will, dass dieser oder jener Vampir-History-Eso-Singlefrauen-Quatsch superspannend, irrewitzig oder total berührend sei, weil das einfach nur gelogen ist bzw. ebenfalls vom Nichtvorhandensein der intellektuellen Leitungen im Hirn des jeweiligen Verfassers zeugt (was an sich nicht schlimm ist, aber mein Denken nunmal nicht bereichert).

Von alldem war jedoch nicht die Rede, im Gegenteil hat mir auch diese Diskussion ein weiteres Mal bestätigt, dass die Idiotie am Ende siegen wird. Was ein Literaturblog sein und können soll, interessierte die Teilnehmer genauso wenig wie die Qualität der Bücher, die dort bebloggt werden. Hauptsache, sie werden beim Namen genannt und helfen also bei der Erweckung des Anscheins, dass das ganze World Wide Web über nichts anderes als dieses oder jenes Buch rede. Bloggdeinbuch.de hat diese Pagerank-Logik am eindrucksvollsten professionalisiert: Zu seinem Start schrieb das Portal eine sog. „Blogparade“ aus, bei der der beste Text über – na? – genau: über bloggdeinbuch.de prämiert wurde. Auch dabei ging es nicht um die Qualität oder Sinnhaltigkeit des Textes, sondern um eine regelrechte Google-Bombe: „Wichtig: Der Beitrag darf erst am 15. August (Montag) in deinem Blog veröffentlicht werden. Dann meldest du den Beitrag bei BdB an, indem du dich auf BdB einloggst und deinen Beitragslink inklusive einen kurzen interessanten Titel (max. 150 Zeichen) eingibst. Die Beiträge aller Teilnehmer werden also am selben Tag veröffentlicht! Nur Beiträge, die am 15. August veröffentlicht werden, sind zugelassen.“ [Original-Orthografie, Anm. d. Verf.] In den FAQs wird noch einmal darauf hingewiesen, dass andere Beiträge nicht zugelassen sind; die Begründung schwafelt sich freilich ordentlich drumherum, dass ein Artikel älteren Datums schlichtweg nicht gut zu gebrauchen ist als bloggdeinbuch.de-PR: „F: Ich habe bereits einen Artikel über Blogg dein Buch geschrieben, kann ich den nicht nutzen? A: Wir raten davon ab, denn was wir suchen ist ein Handbuch bzw. eine einfache Einführung für Blogg dein Buch. Ein allgemein verfasster Artikel dient eher einen [sic!] informativen Zweck und hat weniger einen praktischen Bezug.“ Hä? Dass Cao Hung Nguyen Literaturblogger als „Dienstleister der Verlage“ und Buchblogs lieber als „Produkttestblogs“ bezeichnet, versteht sich von selbst.

Nun mag man überrascht sein, wie schnell sich manche Menschen vor den Werbekarren spannen lassen, obwohl sie nur ein Buch als Lohn erhalten (ein Zeitungskritiker bekommt immerhin noch ein Honorar, wenn auch ein viel zu geringes, klar). Ich sehe darin allerdings gerade nicht den Beweis eines immer noch hohen Stellenwerts des Buches. Sondern nur einen für die offensichtlich unstillbare Gier, auf der medialen Bildfläche zu erscheinen: Die einen machen halt bei „Frauentausch“ mit, die anderen eben bei bloggdeinbuch.de.

Wer sich selbst einen Eindruck verschaffen möchte, dem sei die Buchmessen-Aktion „Wie viel Island steckt in Dir?“ von bloggdeinbuch.de empfohlen: Verlage boten ihre Produkte zur Bewerbung an, die Blogger eilten so brav wie diensteifrig herbei – und brachten tatsächlich auch nichts anderes zustande als Werbefloskeln. Hier geht es zu dem Text, der seiner Verfasserin den Titel „einflussreichste Web-Kritikerin“ einbrachte, obwohl er denkbar wenig von Literatur handelt.

2 Kommentare

  1. Pingback: Too much information - Papierkorb - Nachtgeschichten

  2. Mit Filmblogs ist es übrigens ein ähnliches Problem. Auch hier wirst du in Deutschland, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur entweder die üblichen Kellerkinder finden, die mal so schreiben, dass sie letztens den und den Horrorfilm gesehen haben und ihn total geil fanden, oder du findest Trailer und Gewinnspiele, klickmaximiert. – Arg zugespitzt natürlich, aber eine ernsthafte und gleichzeitig bedingt mainstreamtaugliche Diskussionskultur werden wir in deutschen Blogs, außer über Netzthemen, wohl nicht mehr entwickeln.

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