[Aktualisiert]
Mir ist relativ egal, ob die Piratenpartei nun „für“ oder „gegen“ das Urheberrecht ist. Ich halte das ohnehin nicht für viel mehr als ein Verständigungsproblem: Die „Piraten“ wollen ein „anderes“ Urheberrecht, was manch einer – und das sicher nicht zu Unrecht – mit einer Abschaffung gleichsetzt. Denn was viele „Piraten“ nicht verstehen, und ich fürchte leider, das geschieht aus purer Unkenntnis: Das Urheberrecht lässt sich nicht trennen von der Erfindung des Subjekts um 1800. Wer daran rüttelt, rüttelt also nicht bloß an ein paar Gesetzen, sondern an der bürgerlichen Gesellschaft als solcher. Das kann man natürlich im Sinn haben – darf sich dann allerdings nicht wundern, wenn dieser anti-staatliche Reflex, gerade in Deutschland, sehr genau beobachtet wird und exakt jene Klientel anzieht, wegen der man solche Bewegungen, gerade in Deutschland, so genau beobachtet.
Worauf ich aber eigentlich hinaus wollte: Die Rede von den bösen „Verwertern“ nervt langsam, und zwar ziemlich. Ich würde vermuten, eine ähnliche Genervtheit war auch die Ursache für Melanie Mühls FAZ-Artikel über die „Privilegienmuschi“ Julia Schramm (die nicht einmal die Verantwortung für ihre Reaktion übernehmen will: „Doch wurde ich von vielen darum gebeten, zu einigen der Vorwürfen in dem Artikel der Journalistin Melanie Mühl Stellung zu beziehen.“). Ich jedenfalls bin ganz froh, dass es die Verwerter gibt. Dass sich also jemand darum kümmert, dass meine Texte unter die Leute kommen, mir dafür einen festen Satz zahlt und das Risiko dafür übernimmt, dass die Leute dafür tatsächlich Geld ausgeben. Ich habe genug Erfahrung mit selbst verantworteten Projekten, dass ich um jede Verwaltungsarbeit, die ich nicht übernehmen muss, eine Dankbarkeit empfinde, die sich fast nicht in Worte fassen lässt. Meine Steuererklärung mache ich noch immer selbst – das ist der eine Tag Bürokratismus im Jahr, den ich mir leiste, um mir wieder endgültig sicher zu sein, dass eine noch höhere Dosis meiner Kreativität einen fürchterlichen Schaden zufügen würde. Damit, dass andere an der Verwertung meiner Ideen und Texte verdienen, habe ich ehrlich überhaupt kein Problem. Denn sie tragen die Verantwortung dafür, sei es finanziell, sei es juristisch. Das bisschen Geld, das die Berliner Zeitung, der Freitag, die Stuttgarter Zeitung mit mir verdienen, gönne ich ihnen ehrlich von Herzen. Ohne solche „Verwerter“, wäre ich niemals das geworden, was ich heute bin: eine zwar schlecht verdienende, mit ihrem Job aber überaus zufriedene Autorin.
(Sorry, das musste mal gesagt werden.)
Nachtrag am 5. Mai: Was ich mehr schlecht als recht mit „anti-staatlich“ umschreibe, hat Richard Herzinger in seinem Blog deutlich prägnanter und ausführlicher umrissen.
Die Verwaltungsarbeit / das Managment / das Marketing nicht selbst machen zu wollen finde ich völlig nachvollziehbar, muss doch aber nicht bedeuten, auf alle Verwertungsrechte langfristig zu verzichten und nur einen Bruchteil der Einnahmen für die kreative Arbeit zu bekommen (siehe zum Beispiel hier: http://jakonrath.blogspot.de/2012/05/harlequin-fail.html )
Bei solchen Zahlen liegt nun mal der Begriff der Ausbeutung nahe. Klar haben Verwerter Kosten und Risiko – aber es geht um ein angemessenes Verhältnis, weniger Knebelverträge und mehr Flexibilität zugunsten der Autoren / Musiker / Künstler.
Paradox sind auch Fälle, in denen man seine Rechte z.B. von der GEMA wahren lässt und diese dann verhindert, dass man seine eigenen Songs auf YouTube stellt. Da scheint mir das Subjekt ziemlich auf der Strecke zu bleiben.
Zu guter Letzt: Warum du Julia wegen Ihrer „Willensursprungserklärung“ unterstellst, sie wolle keine Verantwortung für ihre schriftliche Reaktion tragen, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Das wäre ein bißchen wie zu behaupten, ein Künstler (um beim Thema zu bleiben) wolle keine inhaltliche Verantwortung für einen seiner Songs übernehmen nur weil er vorm Aufführen sagt: „Ich werde oft gefragt: Schreib doch mal was über xyz, also hab ich mich mal hingesetzt, und…“
Ich wollte auch tatsächlich nur für mich – und das heißt: für mich als Print-Autorin – sprechen. Ein sinnvoller und überlegter (und eben nicht des nächtens schnell notierter) Beitrag von mir zur Urheberrechtsdebatte sähe anders aus, klar.
Und wegen Julia Schramm: Ich meinte eben gerade nicht die inhaltliche Verantwortung, sondern die Verantwortung für die Reaktion als solche. Also dafür, dass sie sich überhaupt zu Wort meldet, macht sie die anderen verantwortlich. Und das hörte sich für mich wie ein narzisstischer Schutzwall an: So ein Text wie der FAZ-Artikel ist verletzend, und das darf man ruhig auch laut sagen, ohne sich dafür zu schämen, selbst wenn sich sonst niemand daran stört. (Ich wollte damit auch wirklich keine Julia-Schramm-Debatte anfangen, da ich die meisten dieser Diskussionen für wenig ergiebig halte.)
Geht mir ähnlich @ JS-Debatten. 🙂 Und, ja dass der kurze Einwurf keine komplette Abhandlung sein kann, versteh ich. Meine Erwiderung begreife ich auch ganz sicher nicht als umfassend oder gar ausreichend fundiert.