Mitten ins Braune getroffen
Mitten ins Braune getroffen

Mitten ins Braune getroffen

Die Rubrik „Mitten in …“ auf der letzten Seite der Süddeutschen Zeitung, im sogenannten Panorama, hat mich nicht nur einmal verärgert, obwohl ich solch internationales Anekdotentum an sich eine sympathische Idee finde. De facto aber gelingt vielen dieser Texte gerade kein lockerer Ton, stattdessen klingen sie nicht selten wie ethnologische Beobachtungen aus dem 19. Jahrhundert in ihrer naiven Verwunderung über „die Anderen“, seien es Südamerikaner, Italiener oder Obdachlose. Ich fand nicht nur einen dieser vorgeblich launigen Textchen richtiggehend bösartig wegen des diskriminierenden Duktus. Der heutige Bericht aus Tel Aviv übertrifft jedoch all meine bisherigen schlechten Erfahrungen mit „Mitten in …“-Artikeln.

Peter Münch berichtet darin über die Sperrung des Strandes, die seiner Meinung nach gerade jetzt besonders unpassend sei, denn „die Quallen sind weg und, pardon, auch die Franzosen, die im August jeden Quadratmeter Sand belegen.“ Nun hätten also endlich diejenigen Platz, denen er zusteht (i.e. deutsche SZ-Korrespondenten?!?) – und dürfen trotzdem nicht ins Wasser. Aber wieso das denn? Nun ja: „Der Grund dafür ist keine Ölpest oder sonstige Verseuchung und auch kein Militärmanöver mit deutschen Atom-U-Booten. Die Bademeister streiken für bessere Arbeitsbedingungen – und die Stadt straft die Badenden. Am Strand patrouillieren nun städtische Inspektoren, mit Megaphonen und drohen mit Strafzetteln.“

Und damit wären wir schon beim zweiten Problem der „Mitten in …“-Rubrik: Diese kleinen, nicht selten peinlichen Textchen wollen auch noch bebildert werden. Da der Inhalt anekdotischer Natur ist, wird üblicherweise auf ein sogenanntes Symbolfoto zurückgegriffen. Der Text aus Waldkirch, in dem Malte Conradi erzählt, wie er einem Obdachlosen zwei Euro geben wollte, und sich dabei konsequent ums „Ich“ herumdrückt, wird mit einem Häufchen Euro-Münzen illustriert; der Text aus Caracas, der vom wilden Verkehr handelt, mit einem Foto eines Pärchens auf einem Motorrad; der Text aus Stegersbach, der von eine Begegnung zuerst im Fitnessraum und dann am Frühstücksbuffet erzählt, von der Fotografie eines halb leer gegessenen Tellers mit englischen Würstchen und Bohnen.

Und der Text von Münch? Pardauz! Die Gleichsetzung von Quallen und „Erbfeind“ Frankreich war womöglich doch kein Zufall oder wurde wenigstens von der Bildredaktion beim Wort genommen. Denn das Schwarzweiß-Foto, das über „Mitten in Tel Aviv“ prangt, zeigt Matrosen der NS-Kriegsmarine, wie sie an einem deutschen Strand den Stechschritt üben. Der Reichsadler ist mehr oder weniger gut zu erkennen, auch das Copyright „Foto: Scherl“ gibt einen Hinweis, wann dieses Bild entstanden ist. Das SZ-Foto-Archiv weiß es genau: 1935 war´s. Die städtischen Inspektoren aus Tel Aviv, die im Auftrag der Stadt „die Badenden strafen“, werden also als Nazis vorgestellt – womit auch der Hinweis auf die deutschen U-Boote auf üble Weise Sinn macht. Da braucht es dann nicht einmal mehr diejenigen Idioten, die Israel andauernd vorwerfen, „nazi“ zu sein, wenn die Süddeutsche Zeitung das gleichsam nebenbei und derart unmissverständlich kenntlich macht.

(Mit Dank an F.S.)

Ein Kommentar

  1. Jörg Adler

    Hallo,

    Genau das habe ich mir auch gedacht, als ich das Bild gesehen habe. Tel Aviv, Bademeister und dann Nazi-Marinesoldaten? Wenns in der TITANIC gewesen wäre, dann ok, mal wieder ein pubertärer Provokationsversuch. Aber in einem Blatt, das ständig die Vorteile von Qualitätsjournalismus gegenüber Blogs hervorhebt? Wobei man bedenken muss, dass heutzutage vermutlich nicht mehr viele Leute eine Weltkriegsuniform erkennen; für die ist das nur ein „lustiges Bild mit albernen Soldaten“. Aber eben gerade im Qualitätsjournalismus sollte dieses Allgemeinwissen vorhanden sein.

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