F. sagt, es sei eine sehr verquatschte Messe gewesen, und meint das ausschließlich positiv. Tatsächlich kommt es einem so vor, dass man jedes Jahr weniger Zeit mit Bücheranschauen, dafür umso mehr mit Reden verbringt. Ich kam mir in diesem Jahr zudem irgendwie ‚verpeilt‘ vor, weil ich überhaupt keine Ordnung in mein Stromern durch die Hallen bringen konnte, sondern von Anfang bis Ende irgendwie umher getrieben bin. Ich hatte ein paar Termine, das ja, aber ansonsten habe ich mich ziemlich passiv verhalten. (Man könnte auch viel banaler sagen: So unvorbereitet wie in diesem Jahr bin ich noch nie auf eine Buchmesse gefahren.)
Als D. angerufen hat, sie sei nun auf dieser Urheberrechtsdiskussion und ob wir uns dort treffen wollten, bin ich dorthin gegangen – und fand es seltsam, dass dieser Termin nicht ohnehin auf meiner Liste stand. Denn das Thema interessiert mich selbstredend, und auch die Teilnehmer der Diskussion haben ja Rang und Namen; auf dem Podium saßen nämlich der Autor Moritz Rinke, der Rowohlt-Geschäftsführer Peter Kraus vom Cleff (den ich um seinen Namen absolut beneide), der irights.info-Projektleiter Matthias Spielkamp und der Ja-Was-Eigentlich Sascha Lobo. Nur leider klang das um einiges vielversprechender als es dann war, denn der Börsenverein hatte sich entschieden, die sog. Diskussion nach dem sog. Korsakow-Prinzip zu führen. Und das heißt: Auf einer Pinnwand hängen ein paar Zettel mit vorformulierten Fragen, auf einer anderen Zettel mit den Namen der Teilnehmer, das Publikum bekommt Laserpointer in die Hand und entscheidet sich damit für eine Frage und einen zugehörigen Antworter. Dass die beiden Pinnwände das Podium rahmten und die Diskutanten also ziemlich aufpassen mussten, nicht aus Versehen von einem Laserpointer geblendet zu werden, macht eindrücklich deutlich, was für ein Blödsinn das Korsakow-Prinzip ist. Was so tut, als sei es besonders demokratisch, verlangsamt nicht nur den Meinungsaustausch (weil vor jeder Wortmeldung das Publikum befragt werden muss), sondern verhindert tatsächlich einen echten Dialog. „Das sieht das Korsakow-Prinzip nicht vor“, lautete etwa der Einspruch, als einer der Diskutanten auf einen anderen reagieren wollte. Ich war nicht bis zum Ende anwesend, da ich diese Form der sog. Auseinandersetzung wirklich grauenvoll fand, aber was ich gesehen habe, war der Austausch von exakt den Statements, die man erwartet hatte. Piraterie ist Diebstahl, es fehlen kundenfreundliche Modelle, man soll nichts verallgemeinern and so on. Ach, ach. (Hier der Bericht vom Buchreport.)
Kaum weniger enttäuschend finde ich den Virenschleuderpreis. Ich meine nicht die zugehörige Veranstaltung, auf der ich nicht war, sondern die Preisträger. In der Kategorie „Strategie“ haben die Hanser Literaturverlage für ihre Youtube-Kolumne mit Michael Krüger den Preis erhalten; in der Kategorie „Maßnahme“ der binooki-Verlag für seine Ich-und-Binooki-Bücher-Foto-Aktion. Mir sind diese beiden Preisträger unheimlich sympathisch – aber diese beiden Konzepte halte ich, gelinde gesagt, für alles andere als innovativ. Da ist mir der Verleger, dem das Wort „Ebook“ auf Teufel komm raus einfach nicht einfallen wollte, fast schon lieber, weil er gar nicht erst so tut, als wäre der Puls der Zeit sein natürlicher Lebensraum.
Was ich von den Verlagsvertretern – die immer diejenigen sind, die am besten Bescheid wissen – erfahren habe, lässt sich auf einen ziemlich simplen Nenner bringen: So schlecht, wie es in der Zeitung oft heißt, geht es dem Markt womöglich gar nicht. Denn nicht nur das Ebook verkauft sich in diesem Jahr besser als im vergangenen, sondern auch das gedruckte Buch. Wirklich bedroht sind nur die Buchhandlungen, allerdings könne man das durchaus auch als „Gesundschrumpfen“ bezeichnen. Die Dinge ändern sich eben, und wer 30 Jahre nicht in sein Geschäft investiert habe, müsse sich nunmal nicht wundern, wenn das Geschäft dann nicht mehr so gut gehe wie vor 30 Jahren. Ob das stimmt oder nicht, kann ich freilich nicht beurteilen.
Was ich dagegen weiß: Ich kann mir fast nichts Schöneres vorstellen als eine Verlegerin oder einen Verleger, die oder der über seine aktuellen und kommenden Bücher spricht. Von diesem kindlichen Stolz, dieser gründlichen Kenntnis und dieser absoluten Kritikfähigkeit sollten sich bitte, bitte alle anderen Branchen wenigstens ein Scheibchen abschneiden.
Und wer noch eine meiner Entdeckungen dieser Messe wissen will: hier bitte.