In der letzten Folge der diesjährigen Staffel von „Germany’s Text Topmodel“ schwebten die drei Finalistinnen in wallenden Gewändern aus dem Himmel einer nach einem Chemiekonzern benannten „Arena“ herab („Stadion“ sagt man ja nicht mehr, das klingt zu friedlich). Ãœber eines konnte die ätherische Inszenierung freilich nur kurz hinwegtäuschen: GNTM handelt nicht von der Transzendenz weiblicher Schönheit, sondern davon, dass Heidi Klum die Körper ihrer Geschlechtsgenossinnen mit dem Eifer der mütterlichen Rivalin schindet, um individuelle Grenzen der physischen Belastbarkeit zu mangelndem Erfolgswillen umzudeuten.
Ganz wie Aschenputtels böse Stiefmutter, die zu ihren beiden leiblichen Töchtern sagt: „Hau die Zehe ab: wann du Königin bist, so brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen.“ Allein, man weiß es, die Schnitte ins eigene Fleisch sind umsonst, die zwei Amputierten werden von den Täubchen als schönheitsoperierte Frauen enttarnt. Rucke di guck, rucke di guck: Es kann nur ein Aschenputtel geben. Im Märchen nämlich.
Dass Frauen der soziale und berufliche Aufstieg nur mit Hilfe ihres – im Notfall eben beschädigten – Körpers gelingt, ist eines jener Klischees, von denen man bereits hoffen durfte, dass sie irgendwann nurmehr ironisch zitiert werden. Glaubte man doch, in einer aufgeklärten Gesellschaft zu leben, die begriffen hat, dass es einen Unterschied macht, ob etwas nur im Stillen gedacht oder ob es öffentlich propagiert wird. Ein unverkennbarer Irrglaube, wie man nun feststellen muss, da das Klischee vom Weib, dessen Naturzustand von der Intelligenz nur verdorben werden kann, sich wieder lauter und dreister behauptet als zuvor.
Wie oft die Teilnehmerinnen von „Mission Hollywood“ allein in den ersten beiden Folgen dieser sogenannten „Glamour Show“ aufgefordert wurden, bloß nicht ihren Kopf zu gebrauchen, lässt sich mittlerweile an keinen zehn Fingern mehr abzählen. In den Worten des Co-Juroren Bernard Hiller: „Du musst verlieren Deinen Kopf, weil Dein Kopf ist nicht Dein Freund.“ Der Vorspann dieser neuen RTL-Castingshow mit Til Schweiger stellt die Kandidatinnen folgerichtig als ihm kokett zuwinkende Bordsteinschwalben vor.
„Mission Hollywood“ ist also weder Doku noch Soap, sondern ein weiteres jener TV-Rollenspiele, die exemplarisch vorführen, wie man jungen Frauen unter Androhung des Wettbewerbsausschlusses die Biologie beibringt. Während die einen bei „Erwachsen auf Probe“ von der „Expertin“ Katja Kessler zu Müttern geformt werden, sollen die anderen in „Mission Hollywood“ die Rolle des Sexobjekts möglichst umfassend auszufüllen lernen.
Ist der Kopf erst einmal verloren, können die Körper ganz neu aufgesetzt werden: Das „Mission Hollywood“-Repertoire besteht bislang aus einem Striptease, einem Zungenkuss unter Frauen, einem Orgasmus sowie der idealen Oralsex-Haltung (wenigstens dafür taugt der weibliche Kopf: ihn nie höher zu halten als auf Augenhöhe mit dem männlichen Hosenschlitz). Bei Texthängern – selten genug bei den wenigen Sätzen – hilft Til Schweiger gerne weiter: „Es heißt ‚Flöte in die Muschi‘, nicht ‚Klarinette in die Pussi‘!“
Auf eine Wirklichkeit, die hier nur abgefilmt werde, kann sich jedenfalls keiner der Macher dieser Sendung herausreden. Die Bilder von den sehr jungen Frauen, die sich nur zu gerne in des Mannes erotische Dienste begeben, sind auf dem Mist von Tresor TV und RTL gewachsen und nicht auf dem der Realität. Die Eindimensionalität der Rolle, in die sie hier gesteckt werden, ist viel zu grotesk, als dass sie sich noch mit dem Zitieren berühmter Filme oder den vermeintlichen Interessen des Durchschnittszuschauers rechtfertigen ließe. Deshalb darf man die Lust an der sexuellen Erniedrigung und Belästigung von „Mädchen“ – als solche werden die Teilnehmerinnen durchgängig bezeichnet – auch ganz umstandslos den Erfindern von „Mission Hollywood“, den Verantwortlichen bei Tresor TV, in die Schuhe schieben: Es sind zuallererst deren Fantasien, die man da zu sehen bekommt.
Die einzige Frau im Management dieser Produktionsfirma ist selbstredend nicht für Inhalte, sondern für die Finanzen zuständig. Tresor TV ist gerade gut im Geschäft. Es heißt, dort arbeiten ein paar der erfolgeichsten Fernsehmacher Deutschlands. Glückwunsch!
Erschienen in epd medien, No. 49, 24. Juni 2009