Verlage in der Wayback Machine
Verlage in der Wayback Machine

Verlage in der Wayback Machine

Ich bin ganz sicher nicht die Einzige, die an der „Wayback Machine“ des Internet Archives jedes Mal wieder eine große Freude hat. Zur Vorbereitung eines Seminars über Literatur im World Wide Web habe ich mir die WWW-Anfänge verschiedener Verlage angesehen.

Die Hanser-Homepage von 1996 erinnert einen daran, dass es mal Zeiten gab, in denen es von entscheidender Wichtigkeit war, welchen Browser man benutzte und ob dieser Browser auch mit Frames umzugehen wusste. Darauf, dass es zu Antonio Tabucchis „neuem“ Roman eine Leseprobe gab,  war man offensichtlich genauso stolz wie auf die Tatsache, dass man dem Leser noch weitere Umsonst-Angebote machen konnte: „Hier gibt es etwas kostenlos!“, heißt es an anderer Stelle.

Doch ich will mich hier nicht über den Einen oder den Anderen lustig machen, denn damals sah es beinahe nirgends besser aus. Auf der C.H.Beck-Homepage von 1996 zum Beispiel liest man etwas von einem „Schöngeistigen Bereich“ – ein Begriff, den heute wohl kaum jemand mehr freiwillig in den Mund nähme, weil er (nur 15 Jahre später!) fürchterlich antiquiert erscheint. Wenn man sich denn in diesen Bereich hinein traut, lauern erst einmal mehrere Zeilen über den Rang und die Besitzverhältnisse des Verlags. So begrüßt heute kein Verlag mehr die User auf seiner Homepage. Danach wird´s allerdings kaum besser, von Büchern weiterhin keine Spur. Um welche zu finden, musste man zunächst wissen, wo man sie suchen sollte: In der Kategorie „Zeitgeschichte“ oder „Zeitgeschehen“ oder doch eher unter „Modernes Leben“? Recht ähnlich, wenn auch nicht im damals offensichtlich üblichen Weiß, sondern in Schwarz gehalten: die Website des Rowohlt Verlags von 1996. Immerhin gab es da schon eine Suche im Gesamtverzeichnis, die Neuerscheinungen waren allerdings nach Verlagen geordnet – als ob der Leser sich gemerkt hätte, ob das Buch, das er suchte, nun bei Rowohlt oder Rowohlt Berlin erschienen war. Die haben es dem User echt nicht einfach gemacht damals …

Positiv aufgefallen sind mir dagegen die früheren Verlagswebsiten von Eichborn und dtv. Eichborns Homepage des Jahres 1996 ist eine der wenigen, die eben nicht die Unternehmensstrukturen des Betriebs gleichsam eins zu eins im WWW abbildete, sondern tatsächlich den Nutzer im Blick hatte, indem sie ihm Angebote machte und ihn also eher zum intuitiven Herumsurfen animierte. Auf der dtv-Homepage von 1998 wiederum findet man Dinge, von denen man dachte, sie wären erst seit wenigen Jahren in aller Munde – wie etwa eine „Community“ und die Rubrik „Leserrezensionen“. Nun war die Technik damals natürlich längst nicht so ausgefeilt wie heute, doch scheint man bei dtv viel früher als manch anderer begriffen zu haben, dass das WWW zu deutlich mehr als nur zur Einwegkommunikation taugt.

Verglichen mit damals ist heute signifikant mehr und anderes geboten auf den Websiten der Verlage. Bilder, Videos, Animationen, Specials, Leseproben, Interviews – es gibt da einfach alles, was das Leserherz begehrt. Zugleich scheint eine neue Übersichtlichkeit gelungen, nach gleichsam journalistischen Prinzipien: Es gibt einen oder mehrere Aufmacher, darunter gruppieren sich die verschiedenen Rubriken, die Gliederung ist meist ausnehmend übersichtlich.

Allein, sie sehen alle irgendwie gleich aus: Alle tragen Weiß, alle präsentieren sich zuvörderst mit Bildern, die Literatur versteckt sich mehr oder weniger eifrig hinter optischen und menschlichen Reizen. Man muss sich nur mal durchklicken durch Hanser, Beck, Rowohlt, Fischer, Eichborn und dtv: Das ist wirklich ein seltenes und recht frustrierendes Einerlei. Hat denn wirklich niemand mehr eine andere Idee, wie man einen großen Verlag im WWW präsentieren könnte, ohne dass er aussieht wie jeder andere große Verlag? (Dass Bastei Lübbe einen blauen Hintergrund gewählt hat, ändert ja auch nicht viel an dieser Uniformität.) Beinahe wünscht man sich wieder ins Jahr 1996 zurück, als noch keiner wusste, wie das geht, das WWW, und deshalb alle fröhlich drauflos experimentierten.

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