Der doppelte Jonathan
Der doppelte Jonathan

Der doppelte Jonathan

Da die ganze Vermarktung der Heiligen Nacht (wenigstens gefühlt) immer früher beginnt, hat man manchmal fast Angst, man könnte Weihnachten am Ende verpassen, da man sich in den Wochen davor so gut an die Schoko-Nikolaus-Batterien in den Supermärkten und den Glühwein-Gestank in der U-Bahn gewöhnt, dass diese Zeichen ihrer Bedeutung völlig verlustig gehen, weil sie gar nicht mehr als solche wahrgenommen werden. Aber zum Glück gibt es ja die Frühjahrsvorschauen: Die stellen für mich immer die deutlichste Warnung dar, dass der 24.12. stetig näher rückt. Die ersten sind bereits da (Kunstmann, Kiwi, dtv), die anderen werden in den kommenden Wochen folgen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Ein Satz in der Vorschau von Kiepenheuer & Witsch hat mich nun ins Grübeln gebracht. So eine Doppelseite einer Vorschau über ein Buch besteht ja immer aus einem großen Foto (meist auf der linken Seite) und einer zweiten Seite mit den restlichen Infos. Da sieht man das Cover des Buchs, eine paar großbuchstabigen Zeilen, die das Werk anpreisen, dann ein deutlich kleinbuchstabigerer Text, der den Inhalt wiedergibt, dann ein noch kleinerer Text, der die Biografie des Autors oder der Autorin referiert. Und mit roten Punkten sind die wichtigsten Informationen (wieder in deutlich größeren Buchstaben) gekennzeichnet: welche Werbung geplant ist und welche berühmte Menschen oder berühmten Zeitungen was über das Buch gesagt haben. Bei Kiwi findet man da außerdem mehrmals den Hinweis „Für Leser von …“. Dagegen habe ich auch gar nichts, im Gegenteil, denn genau so verfahre ich auch, wenn mich jemand um einen Lesetipp bittet: Ich frage ihn zuerst nach den Büchern, die ihm bislang besonders gut gefallen oder ihn aus anderen Gründen beeindruckt haben, ziehe daraus meine Schlüsse und nenne ein paar Möglichkeiten.

Nun steht unter David Bezmozgis Debütroman „Die freie Welt“ allerdings der Hinweis, dass dieses Buch „Für Leser von Jonathan Safran Foer und Jonathan Franzen“ geeignet sei. Was mich ehrlich ziemlich ratlos zurück lässt. Denn ich halte diese beiden Jonathans für sehr unterschiedliche Schriftsteller: Mit Franzen kann ich ziemlich wenig anfangen, bei Foer dagegen werde ich bestens unterhalten (solange er Geschichten erzählt und keine Sachbücher schreibt!). Franzen behauptet irgendwelche Tabus, um sie dann mit großer Geste zu brechen (Tabus, die vielleicht in den USA welche sein mögen, für mich aber nunmal keine sind: „Die Korrekturen“ ist einer der wenigen Romane, die ich schon nach 50 Seiten sowas von gelangweilt zur Seite gelegt habe). Foer dagegen ist ein Zauberer des Fiktionalen, ein Autor der Gegenwart und ihrer medialen Möglichkeiten und gerade kein verspäteter Thomas Mann auf Amerikanisch wie Franzen. (Womit ich nicht sagen will, dass Franzen nicht schreiben kann: Das kann er selbstredend sehr gut.)

Mit dem Kiwi-Hinweis kann ich mithin gar nichts anfangen. Die einzigen Gemeinsamkeiten dieser beiden Autoren bestehen meiner Meinung nach darin, dass beide in den USA zuhause sind, sie denselben Vornamen tragen und das Judentum in ihrem Werk keine geringe Rolle spielt. Und ich fühle mich auch weiterhin in meinem Verdacht bestätigt, dass es hier gar nicht um den jeweiligen Stil geht: Darauf deutet einerseits die Tatsache, dass man Foer statt Franzen doch vermutlich den anderen, dritten Jonathan im Bunde, nämlich Jonathan Lethem, an die Seite gestellt hätte, wenn Bezmozgis tatsächlich in diese ver-rückte Richtung ginge; was also vermutlich nicht der Fall ist und Foer deshalb hier nur vorkommt, weil er bei Kiwi erscheint, in den USA lebt und Jude ist wie Bezmozgis (wie banal – um´s mal vorsichtig zu sagen – ist das denn?). Und darauf deutet andererseits der Hinweis unter dem Frankreich-Krimi „Bretonische Verhältnisse“ von Jean-Luc Bannalec, der sich in derselben Vorschau findet. Da steht nämlich: „Für Leser von Martin Walker und Georges Simenon“. Jene beiden großen Autoren also, die ebenfalls Krimis geschrieben haben, die ebenfalls in Frankreich spielen. Es scheint demnach einzig und allein darum zu gehen, irgendwelche bekannten Namen zu droppen, damit möglichst viele Leute nach diesem Buch greifen – ganz gleich, ob sie nach dessen Lektüre mit dem angeblichen „Tipp“, der ihnen da gegeben wurde, zufrieden sind oder nicht.

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