Rattenfänger-Journalismus
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Rattenfänger-Journalismus

Am vergangenen Mittwoch berichtete die mit dem Wort „Panorama“ übertitelte letzte Seite des ersten Buchs der Süddeutschen Zeitung über die Verbindungen zwischen Fußballfans und der rechtsextremen Szene. Dass der Autor Ronny Blaschke weitgehend nüchtern die Gemeinsamkeiten und Überschneidungen der beiden Milieus aufzählt, hat den zuständigen Redakteur offensichtlich nicht interessiert, denn die Unterzeile beweist recht eindrücklich, dass er den Text entweder gar nicht erst gelesen oder wenigstens nicht verstanden hat. Denn sie lautet: „Wie die NPD gewaltbereite Fußballfans anwirbt – und so versucht, die Gesellschaft zu unterwandern“.

Der Begriff „Unterwanderung“ kommt in dem Text nicht vor und wird von ihm auch keinesfalls nahegelegt. Jedoch ist diese Rhetorik, die eine tatsächliche oder nur vorgebliche Gefährdung suggeriert, wohl einfach zu altbekannt und leider weiterhin äußerst beliebt, als dass man sie nicht verwenden wollte. Und vor allem ist sie astreine Propaganda, früher wie heute. Das Aufrufen verschwörungstheoretischer Momente verschleiert in dem Fall sehr erfolgreich, dass die Neonazis sich nicht irgendwelche Sympathien zu „erschleichen“ müssen, sondern ihr Programm oft genug offen zur Schau tragen und gerade deshalb immer beliebter werden. Es läuft mithin genau andersherum: Die Gesellschaft wird eben nicht „unterwandert“, sondern sie scheint vielmehr solch unmenschliche Positionen mehr und mehr und immer öfter zu befürworten. Darüber sollte man besorgt sein. Statt weiter vom fiesen Feind zu schwadronieren, der sich heimlich in den Köpfen der Menschen einnistet, ohne dass diese etwas davon mitbekommen. Neonazis sind eben leider nicht alle debil, sondern wissen viel zu oft sehr genau, was sie da tun. (Dass Mitglieder der Piraten-Partei dieselbe Argumentation vom Rattenfänger gebrauchen, halte ich leider für symptomatisch für diese „postpolitische“ Partei.)

Allein, wen wundert´s, dass man solche Reflektionen in diesem SZ-Ressort vergeblich sucht. Worum es darin geht, demonstriert am besten der zugehörige Onlineauftritt. „Gesellschaft, Kriminalität und Katastrophen“ lautet die Headline der Rubrik „Panorama“ auf sueddeutsche.de, die sich in die Unterpunkte „Gesellschaft“, „Naturkatastrophen“, „Prozesse“, „Unfälle“ und „Verbrechen“ gliedert. Ein geradezu vorbildliches Angstmache-Ressort, unverkennbar. Und als solches hat es freilich keine andere Aufgabe als die, dem Leser ohne Unterlass etwas von unsichtbaren, unwägbaren und unbegreiflichen Gefahren vorzuplappern. Damit er ja nicht auf die dumme Idee kommt, er könnte doch noch etwas an dem aktuellen Un-Zustand der Welt ändern.

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